Seekers - Am Großen Bärensee - Hunter, E: Seekers - Am Großen Bärensee - Seekers, Great Bear Lake
kribbelte es ihr im Fell, wenn sie sich vorstellte, in dem spärlichen Bewuchs flussabwärts Schutz suchen zu müssen.
Ich muss mich für einen entscheiden , aber für welchen?, fragte sie sich ratlos.
Dann wurde ihr klar, dass sie eine dritte Wahl hatte. Der Fluss vor ihr sah kühl und freundlich aus und Toklo zufolge war er möglicherweise voller Lachse. Mit prickelnden Tatzen drehte sie sich zu Ujurak um.
»Wir überqueren den Fluss«, erklärte sie.
Als Toklo verächtlich schnaubte, zuckte sie zusammen, tat aber, als hätte sie nichts gehört. Nur Ujurak konnte sagen, ob sie recht hatte.
Der kleine Grizzly nickte und Stolz erfüllte Lusa von der Nasenspitze bis zu den Klauen. »Das ist unser Weg.«
»Was?« Toklo klang empört. »Bären schwimmen nicht.«
»Natürlich schwimmen wir!«, widersprach Lusa, erstaunt darüber, dass sie ausnahmsweise einmal mehr wusste als Toklo. Voller Freude stürzte sie sich in den Fluss und genoss das Wasser um sich herum in vollen Zügen. Sie tauchte unter, kam wieder an die Oberfläche und tauchte noch tiefer, bis sie mit den Tatzen die Kieselsteine des Flussbetts erreichte. Als sie wieder nach oben kam, sah sie Toklo und Ujurak nebeneinander am Ufer stehen. Ujurak beobachtete sie fasziniert, doch Toklos Züge wirkten grimmig.
»Komm raus da!«, rief er.
Lusa überhörte seinen Befehl. »Kommt doch rein, es ist herrlich!«, sagte sie stattdessen.
Ujurak ging einen Schritt näher an die Böschung, doch Toklo rührte sich nicht vom Fleck. »Komm sofort raus«, wiederholte er. »Hier können wir nicht über den Fluss. Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht schwimme.«
»Alle Bären schwimmen«, entgegnete Lusa und platschte mit den Tatzen aufs Wasser, dass die Tropfen aufstoben und in der Sonne glitzerten. Warum machte Toklo so ein Theater, wo doch jeder Bär wusste, dass er sich täuschte? »Versuch es einfach mal so.« Sie führte ihm vor, wie sie mit den Beinen durchs Wasser paddelte. »Es wird dir einen Riesenspaß machen.«
Ujurak stand einen Augenblick unschlüssig am Rand der Böschung, ehe er in den Fluss watete und sich zu Lusa gesellte. Seine braunen Augen strahlten. »Ich komme mir vor wie ein Fisch!«
»Komm schon, Toklo«, rief Lusa. Genugtuung stieg in ihr auf, stark wie die Strömung des Flusses, denn zum ersten Mal konnte sie etwas besser als Toklo. »Was ist los?«, fragte sie. »Versuch es doch wenigstens!«
Toklo begann am Ufer auf und ab zu laufen. Hin und wieder hielt er an, als wolle er ins Wasser gehen, lief dann aber doch weiter. »Ich … ich komme mit Wasser nicht besonders gut klar«, murmelte er schließlich.
Lusa verstand nicht, was er meinte. Er musste doch auch in den Fluss, wenn er Lachs fangen wollte, oder etwa nicht? Sie hatte noch nie einen Grizzly fischen sehen, doch sie war sich ziemlich sicher, dass die Fische nicht freiwillig ans Ufer sprangen, um sich verspeisen zu lassen. »Geh einfach rein«, sagte sie. »Deine Beine wissen von allein, was sie zu tun haben.«
»Komm schon!«, rief Ujurak. »Es ist ganz einfach. Du wirst schon sehen.«
Mit einem unwirschen Knurren kauerte sich Toklo, alle Muskeln seines Körpers angespannt, an den Rand der Böschung und warf sich ins Wasser. Er tauchte mit dem Kopf unter, und als er wieder hochkam, schlug er wie wild mit den Tatzen um sich. Auf diese Art verbrauchte er unnötig viel Energie, bewegte sich aber langsam aufs andere Ufer zu. Als sich Lusa zu ihm gesellte, sah sie, dass seine Augen vor Entsetzen weit aufgerissen waren.
»Es kann nichts passieren«, beruhigte sie ihn. »Du machst das prima.«
Toklo warf den Kopf zu ihr herum. »Sei still!«, fauchte er sie an und schlug unwirsch mit der Tatze nach ihr.
Entsetzt wich Lusa zurück. Doch Toklos Tatzenhieb hatte ihn aus dem Takt gebracht. Er schluckte reichlich Wasser und tauchte unter.
Lusa gab ihm noch ein paar Herzschläge, um wieder hochzukommen, doch das tat er nicht. Eiskalte Angst, kälter als die Strömung, machte sich in ihr breit. Vielleicht konnte er wirklich nicht schwimmen? Womöglich ertrank er, nachdem sie ihn dazu überredet hatte, den Fluss zu überqueren!
Lusa tauchte tief ins Wasser, die Augen so weit geöffnet, wie es irgend ging. Da entdeckte sie nicht weit flussabwärts eine dunkle, klobige Gestalt. Toklo wurde von der Strömung fortgerissen. Er strampelte hilflos, schlug wild um sich und aus seinem Mund stiegen große Luftblasen nach oben.
Lusas Magen verkrampfte sich. Sie durften Toklo nicht verlieren!
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