Seekers - Am Großen Bärensee - Hunter, E: Seekers - Am Großen Bärensee - Seekers, Great Bear Lake
»Fliegt weg! Sucht euch jemand anderes, den ihr quälen könnt.« Sie schnaubte. »Ich weiß, ihr hört nicht auf mich«, fügte sie leise hinzu. »Ich rede nur mit mir selbst.«
Der Hunger krallte sich um ihren Magen und ihr Mund klebte vor Durst. Doch zumindest war die Hölle schattig und kühl. »Ich kann genauso gut ein bisschen schlafen«, sagte sie laut.
Als sie sich gegen die Rückwand der Höhle schmiegte, witterte sie einen vertrauten Geruch.
»Sind hier Bären gewesen?« Sie schnüffelte herum und war überrascht, als sie ein Büschel weißen Fells entdeckte. Sie hatte gedacht, sie sei viele Himmelslängen weit der einzige Eisbär. Was hatten andere Eisbären hier verloren? Warum wanderten sie nicht zum Meer?
Kalliks Herz hämmerte. Sie fürchtete, die Bären könnten zurückkommen und sie angreifen, weil sie in ihre Höhle eingedrungen war. Die Erleichterung darüber, dass sie nicht mehr allein war, war jedoch größer als ihre Angst. Die Gegend war also doch nicht unbewohnt, sondern vielmehr ein Ort, durch den auch Eisbären zogen.
An der Rückwand der Höhle lag ein Haufen Kaninchenknochen. Es war nicht mehr viel Fleisch daran, doch Kallik nagte sie dankbar ab und spürte, wie der qualvolle Hunger ein wenig nachließ. Sie fragte sich, ob sie die Höhle besser verlassen sollte, für den Fall, dass die anderen Bären zurückkehrten, doch sie war zu müde und zu erschöpft, um weiterzuwandern. Der Schlaf nahm Besitz von ihren schmerzenden Gliedern. Sie gab ihm nach, rollte sich zusammen und schloss die Augen.
Als Kallik erwachte, kroch der hellrosa Schimmer der frühen Morgendämmerung in die Höhle. Sie blinzelte und rieb sich mit den Tatzen die Augen. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie sie gerade erst geschlossen. Die Nächte schienen immer kürzer zu werden. Kallik gähnte und erhob sich schwerfällig. Als sie vorsichtig aus der Höhle spähte, sah sie, wie sich die Sonne gerade über den Horizont erhob. Ein neuer Tag brach an.
Kaum war sie draußen, kribbelte ihr wieder der Pelz, weil sie das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Sie wirbelte herum, doch alles, was sie sah, waren lange Gräser, die im Wind wogten. Kallik bemühte sich noch, das ungute Gefühl zu unterdrücken, als sie merkte, dass der Bärengeruch auch draußen in der Luft hing. Ihr Magen verkrampfte sich. Sie war sich nicht sicher, ob sie anderen Bären begegnen wollte.
Aber vielleicht sind sie freundlich, sagte sie sich. Nanuk war schließlich auch freundlich. Und die Bärenfamilie aus dem Schwirrvogel wäre auch freundlich gewesen. Dann hätte ich wenigstens Gesellschaft. Mit Gedanken wie diesen trottete sie ins blasse Morgenlicht.
Von einer leichten Anhöhe aus fielen Kallik lauter helle Flecken auf, die sich über die weitläufige Sumpffläche verteilten. Ein saftiger Duft stieg ihr in die Nase.
»Schneegänse«, flüsterte sie. »Endlich Beute!«
Die Vögel suchten im Sumpf zu fressen. Kallik wollte sich am liebsten gleich mitten in den Schwarm werfen und sich die nächstbeste Gans krallen, doch dann wurde ihr klar, dass die Vögel sofort auffliegen würden, lange bevor sie sich einen packen konnte. Ihr fiel ein, was ihre Mutter ihr beigebracht hatte. Sie machte einen Bogen um den Schwarm, bis der Wind ihren Geruch den Gänsen nicht mehr zutragen konnte, und schlich sich dann näher an sie heran. Der Duft der Vögel wehte ihr entgegen, und als er am stärksten war, kroch sie weiter, so tief geduckt, dass ihr Bauch über den Boden streifte. Vorsichtig und geräuschlos setzte sie eine Tatze vor die andere.
Nach und nach kam Kallik näher an die Gänse heran, konnte schon die üppigen Körper und die Flügel mit den schwarzen Spitzen sehen. Sie waren so mit Fressen beschäftigt, dass sie sie nicht bemerkten. Kallik suchte sich den Vogel heraus, der ihr am nächsten war. Er hatte ihr den Rücken zugewandt und tauchte den Schnabel emsig in den Morast. Kallik holte tief Luft, stieß sich mit den Hinterbeinen ab und streckte die Vorderbeine zu einem gewaltigen Sprung aus.
Die gesamte Gänseschar stieg auf, flügelschlagend und lauthals kreischend. Doch Kallik ließ sich von dem Geflatter und Geschnatter nicht ablenken. Sie grub die Krallen in ihre Beute und hielt sie am Boden fest. Das Tier mühte sich mit aller Kraft, freizukommen, bis Kallik die Zähne um seinen Hals schloss und es schnell tötete.
Kallik war stolz auf sich. Der Regenpfeifer, den sie am Strand gefangen hatte, war ein Glücksfall gewesen. Diesmal hatte
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