Seekers - Am Großen Bärensee - Hunter, E: Seekers - Am Großen Bärensee - Seekers, Great Bear Lake
Gans«, murmelte Ujurak, riss sich aber zusammen und stemmte sich mühsam auf die Tatzen.
»Stütz dich auf mich«, ermunterte ihn Lusa und schob ihm die Schulter unter, um ihm Halt zu geben. »Da drüben ist eine Höhle.«
Schwankend und auf unsicheren Beinen ließ sich Ujurak von Lusa zu der Mulde führen, die direkt oberhalb des Flusses im Schutz eines ausladenden Beerenstrauches lag.
Toklo stapfte hinter ihnen her. »Ujurak, sag mir, welche Heilpflanzen du brauchst«, bat er. »Ich suche sie für dich.«
»Kann mich nicht erinnern …« Ujurak stieß die Worte keuchend hervor und schloss wieder die Augen.
Lusa rollte sich neben ihm zusammen und blickte ihn voller Mitgefühl an. »Lass ihn in Ruhe. Wir fragen ihn morgen noch mal.«
Toklo nickte und ließ sich am Rand der Höhle nieder. Diesmal hatte Ujurak überlebt, aber was würde beim nächsten Mal passieren? Das war keine Gegend für Bären. Es war zu gefährlich.
Es ist alles meine Schuld. Ich wollte nicht über den Fluss schwimmen. Er rief sich in Erinnerung, was ihm Lusa über seine Mutter erzählt hatte. Hat sie vielleicht recht? Hat Oka mich wirklich geliebt?
Toklo seufzte. Er konnte noch so viele Ausreden finden – er war feige gewesen. Und seine Feigheit hatte Ujurak fast das Leben gekostet. Sein Freund konnte ihm vielleicht verzeihen, aber Toklo selbst würde es sich nie verzeihen, so viel stand fest.
11. KAPITEL
Kallik
Kallik hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Es kam ihr vor, als wandere sie schon seit Ewigkeiten durch die leere Landschaft. Die Nächte waren furchtbar kurz. Kaum war die Sonne untergegangen, da schob sich ihr glitzernder Rand schon wieder über den Horizont.
Wenn die Sonne am stärksten brannte und die Fliegen am lästigsten wurden, suchte sich Kallik ein schattiges Schlafplätzchen. Dann trottete sie weiter.
Gelegentlich fand sie unterwegs Kot und Bärenspuren, die zum Teil fast frisch waren. Einmal sah sie einen großen Bären vor sich. Sie folgte ihm in einigem Abstand, bis sie ihn aus den Augen verlor.
Auf ihrer Wanderung dachte sie oft über die Bärenfamilie nach, die der Schwirrvogel abgesetzt hatte. Kallik stellte sich vor, dass sie mit dem Bärenmädchen und ihrem Bruder Fangen spielte und mit ihnen durch den Schnee tollte.
Doch am meisten dachte sie an ihre Mutter und ihren Bruder. Jede Kleinigkeit löste Erinnerungen in ihr aus. Wenn sie zusammengerollt hinter einem Felsen lag, der sie vor der Sonne schützte, fiel ihr plötzlich ein, wie sie sich mit Nisa und Taqqiq in der Geburtshöhle zusammengekuschelt und Nisas Geschichten gelauscht hatte. Und wenn sie im harten Boden in einem Mäuseloch grub, erinnerte sie sich daran, wie Nisa ihnen die Robbenjagd beigebracht hatte. Sogar in dieser sonnenverbrannten Einöde kribbelte es Kallik in den Tatzen vor Aufregung, wenn sie daran dachte, wie Nisa die Beute aufs Eis gezogen hatte. Fast konnte sie das leckere Fett auf der Zunge noch schmecken, als sie damals die Zähne in das saftige Fleisch gegraben hatte.
Dann, eines Morgens, wurde die Sonne blass und verschwand hinter einer neblig weißen Wolke. Die Wolke sank tiefer und tiefer und wälzte sich über die Ebene, bis Kallik ihre eigenen Tatzen nicht mehr sah und sogar das Geräusch, das sie machten, gedämpft wurde, wie von einer dicken Schicht Federn. Es wurde kalt, doch es war nicht der klirrend klare Frost des Eises, sondern eine nasse Kälte, die sich Kallik in den Pelz setzte und immer tiefer in ihren Körper kroch. Es war unheimlich, eine Tatze vor die andere zu setzen, ohne zu wissen, was vor ihr lag. Sie wanderte blind und fühlte sich einsamer denn je.
Kalliks Augen schmerzten vom grellen Schimmer des Nebels, der von einer Sonne erhellt wurde, die sie nicht sehen konnte. Am nächsten Tag sah sie denselben weißen Nebel, der erst heller wurde und dann wieder schwächer, je nachdem ob die Sonne aufstieg oder sank.
Einmal, um die tödliche Stille zu durchbrechen, stieß sie ein Bellen aus, doch in dem Nichts, das sie umgab, klang ihre Stimme schwach. Dann bekam sie Angst bei dem Gedanken, dass ein Tier sie gehört haben könnte, sie verfolgte und sich ungesehen an sie heranschlich. Fortan ging sie möglichst lautlos weiter und bemühte sich sogar, das Geräusch ihres Atems zu unterdrücken.
Kallik fragte sich, ob sie den Rest ihres Lebens durch diese endlos weiße Landschaft stapfen würde.
Und dann wurden die schlimmen Erinnerungen wieder wach. Sie wirkten so echt, dass alles noch einmal zu
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