Seekers - Die Letzte Große Wildnis: Band 4 (German Edition)
Kallik unschlüssig den Fluss betrachtete, schaute sich Lusa aufmerksam um. Flussaufwärts sah sie einen reißenden Strom, an dessen Böschungen dichte Dornbüsche wuchsen. Dort, wo Lusa und Kallik standen, floss der Strom zwar ein bisschen ruhiger, doch weiter abwärts sprudelte er um einen großen Felsblock herum. Die schwarze Silhouette des Steins erhob sich aus dem Fluss wie eine Bärentatze, die vom wilden Wasser umtost wurde.
Lusas Fell kribbelte. Da war ein Zeichen – wenn sie nur wüsste, wofür!
»Ich habe keine Ahnung, wohin«, unterbrach Kallik Lusas Gedanken. »Was meinst du: Welcher Weg führt uns zu dem Schwirrvogel und zu Ujurak?«
Nachdenklich deutete Lusa mit der Schnauze stromaufwärts. »Da sieht es eng und dunkel aus«, sagte sie. »Und die Strömung ist um die Felsen herum zu schnell. Das kommt mir nicht richtig vor. Und flussabwärts …« Sie drehte sich zur anderen Seite. »Schau dir nur den Felsen da an! Der sieht aus, als wollte er uns den Weg verstellen. Wir sollten weder flussaufwärts noch flussabwärts gehen.«
Kallik sah sie zweifelnd an. »Lusa«, fragte sie ängstlich, »willst du damit etwa sagen, dass wir hier rüberschwimmen müssen?«
»Ja!« Eine Woge der Zuversicht erfasste Lusa. Ich habe recht! Genau das müssen wir tun. »Ich weiß, die Stelle ist nicht gerade perfekt«, begann sie, »aber wenn wir den Fluss hier nicht überqueren, müssen wir womöglich Himmelslängen weiterwandern, bis wir eine bessere Stelle finden. Sieh mal, wie die Sonne auf das Wasser scheint und einen glitzernden Pfad markiert. Die Geister sagen uns, dass das unser Weg ist.«
Kallik blickte sie mit großen Augen an. »Ja! Jetzt sehe ich es auch! Du bist klug, Lusa.«
Lusa blickte ein wenig verlegen zu Boden. »Ich versuche es nur zu machen wie Ujurak. Komm mit!«
Sie spannte die Muskeln an, bereit zum Sprung, zögerte aber, als ihr der riesige Fluss einfiel, den sie mit Toklo und Ujurak überquert hatte. Damals war sie fast ertrunken … Sie schluckte nervös. Ich bin ein Schwarzbär, rief sie sich in Erinnerung. Wir schwimmen besser als alle anderen Bären. Und der Fluss hier ist nicht annähernd so breit wie der andere.
Dennoch musste sie unablässig daran denken, wie das schwarze Wasser über ihrem Kopf zusammengeschlagen war, wie es Nase und Mund gefüllt und ihr das Atmen unmöglich gemacht hatte … Lusa zitterte.
»Was ist denn?«, fragte Kallik. »Wir können auch an einer anderen Stelle den Fluss überqueren, wenn dir das lieber ist.«
Lusa zwang sich, den Kopf zu schütteln. »Nein, nein«, wehrte sie ab. »Wir haben die Zeichen gesehen, also wissen wir, dass es richtig ist.«
In ihrem Herzen wusste sie, dass, wer immer Ujurak die Zeichen geschickt hatte, ihr nun dieses hatte zukommen lassen. Sie musste dieser Macht vertrauen und sich von ihr führen lassen.
»Also los!«, bellte sie.
»Warte!« Kallik stieß Lusa von der Böschung zurück.
»Was ist denn?«, fragte Lusa verwundert. »Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut gehen, ganz sicher.«
»Ich weiß«, erwiderte Kallik, die sich zwischen Lusa und den Fluss gestellt hatte. »Es ist nur … Sieh dir mal die Strömung an. Ich glaube, auf geradem Weg kommen wir nicht rüber. Wir müssen schwimmen, als wollten wir flussaufwärts. Dann trägt uns die Strömung in die andere Richtung, und wir kommen da raus, wo wir wollen.«
»Aber dauert das nicht viel länger?« Lusa war ungeduldig und wollte so schnell wie möglich zu Ujurak.
»Ja, und es wird sehr ermüdend sein. Aber auf diese Art werden wir nicht abgetrieben.«
Lusa betrachtete das reißende Wasser und dachte nach. »Gut, wir machen es so«, verkündete sie dann.
Sie stürzte sich in den Fluss und schwamm kraftvoll gegen den Strom. Obwohl sie sofort seinen starken Sog an ihren Beinen spürte, paddelte sie entschlossen weiter, Kallik neben sich, die sie flussaufwärts schob. Lusa schnaubte und prustete, während sie gegen die Strömung ankämpfte, und schwamm fast seitwärts, um nicht mitgerissen zu werden. Nach und nach kamen die beiden dem anderen Ufer näher.
Lusa dachte schon, sie hätten das Schlimmste geschafft, als sie Kallik rufen hörte: »Pass auf!«
Sie blickte sich um und sah einen Ast, der flussabwärts getrieben und im weiß schäumenden Wasser hin und her geschleudert wurde. Er kam direkt auf sie zu.
Lusa strampelte verzweifelt mit den Beinen, um dem Ast auszuweichen, doch da war es schon zu spät. Er krachte in sie hinein und sie wurde vom
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