Seekers - Die Letzte Große Wildnis: Band 4 (German Edition)
Lusa merkte, dass ihre Freunde eine Antwort von ihr erwarteten. Sie war die Expertin, denn sie wusste am meisten über Flachgesichter. Doch dieser Ort war so völlig anders als alles, was sie bis dahin gesehen hatte. Sie wusste auch nicht weiter.
»Macht euch bereit, wegzulaufen«, sagte sie leise, »aber rührt euch nicht, bis ich es euch sage.«
Sie tat einen vorsichtigen Schritt auf das Feuerbiest zu und machte sich darauf gefasst, dass es jeden Moment zum Leben erwachte und losbrüllte, doch es schnurrte unverändert leise vor sich hin. Lusa hätte es nicht überrascht, wenn Flachgesichter herausgekommen und mit Feuerstöcken herumgefuchtelt hätten, doch auch das geschah nicht. Im Bauch des Feuerbiestes sah Lusa nur ein Flachgesicht.
»Ihr werdet es vielleicht nicht glauben«, sagte sie, »aber ich vermute, der will uns den Fluss überqueren lassen.«
»Nein, das glaube ich nun wirklich nicht«, brummte Toklo grimmig. »Flachgesichter, die auf Bären warten? Du hast ja wohl Hummeln im Hirn.«
»Ich glaube, Lusa hat recht«, kam Kallik überraschend ihrer Freundin zu Hilfe. »Wenn das Flachgesicht uns jagen wollte, hätte es das schon längst getan. Lusa, wenn du meinst, dass wir rübergehen können, dann tun wir das.«
Lusa wurde warm ums Herz angesichts des Vertrauens, das die Freundin zu ihr hatte. Sie wusste ja, wie groß die Angst der Eisbärin war. Lusa fürchtete sich nicht weniger, glaubte aber trotzdem nicht, dass dieses Flachgesicht ihnen etwas Böses wollte. Es gibt freundliche Flachgesichter, sagte sie sich. Im Bärengehege waren sie auch freundlich.
»Na gut«, sagte sie zu Kallik. »Dann mal los.«
Mit ängstlichem Blick machte sich die Eisbärin auf den Weg und trottete am Rand des Schwarzpfades über die Brücke. Nun hätte das Feuerbiest sie mit Leichtigkeit anspringen und niedertrampeln können, doch es rührte sich nicht.
»Jetzt du, Toklo«, sagte Lusa, als Kallik mehrere Bärenlängen zurückgelegt hatte. Toklo zögerte und einen Augenblick fürchtete Lusa, er würde sich weigern. Doch dann drehte er sich mit einem verärgerten Schnauben um und stürmte hinter Kallik her.
Lusa folgte den beiden. Als sie das andere Flussufer erreicht hatten, hörten sie das Knurren des Feuerbiestes, das nun auf sie zuhielt. Die Bären kauerten sich Seite an Seite an den Rand des Schwarzpfades, bis es vorbei war.
»Na also!«, rief Lusa und schnaubte erleichtert. »Das war doch einfacher als Schwimmen, nicht wahr?«
»Du warst großartig, Lusa«, meinte Kallik bewundernd. Toklo grunzte nur.
Lusa, von diesem Erfolg ermutigt, ging voran, immer auf die Flachgesichtersiedlung zu. Sie überquerten eine weitläufige Fläche, durchsetzt mit kleinen Tümpeln, in denen sich das letzte Tageslicht spiegelte. Toklo sprang zum nächstgelegenen Wasserloch, machte dann aber einen Satz zurück und schüttelte sich. »Rührt das Wasser nicht an«, warnte er die anderen. »Es stinkt widerlich.«
Als die Dämmerung hereinbrach, merkte Lusa erst, wie erschöpft sie war. Ihre Tatzen waren wund und ihr Maul war völlig ausgedörrt, doch es gab weit und breit kein Wasser zum Trinken. Der Hase, den sie am Tag zuvor mit Kallik geteilt hatte, war nur noch eine vage Erinnerung. Aber sie wollte nicht haltmachen, um zu jagen. In der öden Landschaft gab es ohnehin keine Beute, ja nicht einmal einen Busch mit Beeren. Und bei dem übermächtigen Gestank der Feuerbiester konnten sie sowieso keine Witterung aufnehmen.
»Ich hoffe nur, Ujurak weiß zu schätzen, was wir auf uns nehmen«, hörte sie Toklo hinter sich brummen.
Hin und wieder fegte ein Feuerbiest an ihnen vorbei, mit gleißenden Augen, deren Licht durch die Dunkelheit schnitt. Wenigstens waren sie schon von Weitem zu sehen. Da es keinen Unterschlupf gab, kauerten sich die Bären an den Rand des Schwarzpfades und warteten, bis die Feuerbiester wieder verschwunden waren.
»Die beachten uns gar nicht«, stellte Kallik fest, nachdem ein besonders großes Ungetüm vorbeigezischt war.
»Zum Glück«, erwiderte Toklo. Er war stehen geblieben und hatte angewidert in die leuchtenden Augen des Feuerbiestes gestarrt. »Es ist hoffnungslos«, fügte er hinzu. »Das ist kein Ort für Bären. Und es wird mit jedem Schritt schlimmer.«
»Vielleicht kehren wir besser um«, schlug Kallik leise vor, »und warten darauf, dass Ujurak uns findet?«
»Du hast wohl Hummeln im Hirn«, entgegnete Lusa entrüstet. »Wir wissen doch gar nicht, ob Ujurak kommen kann. Vielleicht ist er
Weitere Kostenlose Bücher