Seekers - Feuer im Himmel - Band 5
rieb sich erschöpft die Augen. Sie machten sich wieder auf den Weg. Der Schnee blies ihnen direkt ins Gesicht. Da der heulende, eiskalte Wind ihre Stimmen forttrug, konnten sie sich nicht miteinander unterhalten. Kallik zweifelte so langsam daran, dass sie überhaupt noch einen Unterschlupf finden würden. Unter jedem Schneehaufen verbarg sich ein Eisblock.
Kallik ging Pelz an Pelz mit Lusa, obwohl das langsame Tempo der Schwarzbärin für sie eine Qual war. Vor ihnen trottete Ujurak, dessen braunes Fell so voller Schnee war, dass es fast nicht mehr zu sehen war. Wonach suchte er auf dem Eis? Was sollten sie hier draußen finden?
»Nisa, bitte, hilf uns«, flüsterte sie, doch der Sturm riss ihr die Worte aus dem Maul und verwehte sie in alle Richtungen. Überall von Schnee eingehüllt, konnte Kallik die Sterne am Himmel und die Schatten unter ihren Tatzen nicht sehen. Sie war völlig allein, abgeschnitten von den Geistern über und unter ihr.
Sie hatte gedacht, sie kenne sich auf dem Eis aus, aber in Wahrheit wusste sie nur sehr wenig. Viele Monde lang hatte sie sich nach dem Ewigen Eis gesehnt, unzählige Himmelslängen war sie gewandert, und nun war sie sich nicht mehr sicher, ob sie für das Leben hier überhaupt gewappnet war. Vielleicht würde sie an Land eher überleben? Bestimmt konnte sie ihre Freunde dort besser beschützen. In dieser eisigen weißen Welt wusste sie kaum, wo oben und unten war. Wie hatte ihre Mutter das nur mit zwei Jungen geschafft? Konnte hier draußen überhaupt ein Bär überleben?
Kallik wusste nicht, wie lange sie gewandert waren. Ihre Tatzen schmerzten, ihre Nase war taub und sie waren umgeben von völliger Dunkelheit und wirbelndem Schnee, als Lusa und Toklo plötzlich gleichzeitig stolperten und auf dem Bauch landeten. Lusa vergrub ihren Kopf zwischen Toklos Vordertatzen und rollte sich zusammen.
»Ich kann nicht mehr«, sagte sie leise. »Es tut mir leid, ich habe es versucht.«
»Ich kann auch nicht mehr«, erklärte Toklo, dessen Atem stoßweise ging. »Wir müssen uns ausruhen.«
»Nein, das geht nicht!« Ujurak kam zu ihnen zurück. Seine Bewegungen waren langsam und erschöpft, doch er schüttelte unablässig den Kopf. »Wir dürfen jetzt nicht aufgeben. Unsere Suche …«
»Deine dämliche Suche ist mir egal!«, fauchte Toklo. »Wir sind in diesem Schneesturm gefangen, weil du es für eine gute Idee gehalten hast, ihr zu folgen.« Er deutete mit dem Kinn auf Kallik.
Kalliks schlechtes Gewissen meldete sich sofort zu Wort. »Ich tue aber doch mein Bestes!«, verteidigte sie sich.
»Die Zeichen haben uns genau hierhergeführt!«, rief Ujurak Toklo in Erinnerung.
»Du hast keine einzige Robbe gefangen«, warf Toklo Kallik vor, ohne Ujurak zu beachten. »Du findest keinen Unterschlupf. Du kannst hier nicht besser überleben als wir! Wir könnten genauso gut einem Lachs folgen!«
»Hört auf zu streiten«, murmelte Lusa schläfrig und kuschelte sich enger an Toklo.
»Du erträgst es nur nicht, wenn jemand anders die Führung übernimmt.« Kallik wurde nun wirklich wütend. »Ich würde hier ganz gut zurechtkommen, wenn ich dich nutzlosen Taugenichts nicht ständig hinter mir herschleppen müsste. Und ohne Ujurak wärst du sowieso schon tot.«
»Wir müssen zusammenhalten!«, rief Ujurak. »Warum versteht ihr das nur nicht? Wir müssen weiter!«
»Wozu denn?«, zischte Toklo. Er drehte sich zu ihm um. Lusa wimmerte, weil ihr sein wärmendes Fell abhandenkam. »Wohin denn? Du weißt ja nicht einmal, wo du uns hinführst!«
»Kann schon sein«, gab Ujurak zu.
Kallik fuhr es kalt durch die Knochen. Wenn nicht einmal Ujurak wusste, wo sie hingingen, was blieb ihnen dann für eine Hoffnung?
»Aber ich weiß, dass wir weiter müssen, und ich weiß, dass wir zusammenbleiben müssen«, fügte Ujurak mit fester Stimme hinzu.
»Sagen dir deine kostbaren Zeichen auch, wie wir am Leben bleiben?«, knurrte Toklo. »Wir können nicht viel ausrichten, wenn wir alle tot sind!« Er hielt keuchend inne und blickte auf Lusa hinab, die zwischen seinen Tatzen eingeschlafen war. »Mir ist das jetzt alles egal. Ihr geht weiter, wenn ihr wollt. Lusa und ich bleiben hier.« Er rückte noch ein bisschen näher an sie heran und schloss die Augen. Sogleich begann der Sturm, die beiden mit Schnee zuzudecken.
Kallik hätte sich gern noch verteidigt, aber auch sie war am Ende ihrer Kräfte. Und schlimmer noch: Sie fürchtete, Toklo könnte recht haben. Sie hatte keine Ahnung, was sie hier
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