Seekers - Feuer im Himmel - Band 5
ihr Fell zogen sich rötlich braune Streifen, die aussahen wie Blutspuren. Kallik blickte an sich herunter. Auch ihr Fell war verschmiert.
»Das ist meine Höhle!«, knurrte die fremde Bärin. »Ihr könnt sie nicht haben! Meine Jungen brauchen sie!«
Kallik wich einen Schritt zurück. »Wir sind nicht hier, um dir deine Höhle wegzunehmen. Das verspreche ich. Wir wollten nur eine Weile vor dem Nebel Zuflucht suchen.«
Die Bärin ließ sich erschöpft gegen die Schneewehe sinken. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten, obwohl sie mit ihrem runden Bauch wohl genährt aussah.
»Na ja, eine richtige Höhle ist das sowieso noch nicht«, gab die fremde Bärin zu. »Ich ruhe mich nur aus, aber bald mache ich eine Höhle. Dann bringe ich meine Jungen zur Welt und bleibe mit ihnen hier, bis sie groß genug sind, sie aufs Eis zu führen.«
Trauer durchzuckte Kallik, als sie an ihre Geburtshöhle dachte. Genau wie diese Bärin hatte ihre Mutter sie gebaut, ehe Taqqiq und sie zur Welt gekommen waren. Es war warm darin gewesen und gemütlich. Falls Nisa zu müde zum Graben gewesen wäre, hätte sie sich bestimmt gefreut, wenn ihr ein vorbeikommender Bär geholfen hätte.
»Wie heißt du?«, fragte Kallik. »Ich bin Kallik und das ist Ujurak.«
»Ich heiße Iniq«, sagte die Bärin. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete sie Ujurak, dessen braunes Fell sie wohl verwirrte, doch offenbar fehlte ihr die Kraft, weitere Fragen zu stellen.
Iniq deutete auf den Schnee. »Ich möchte die Geburtshöhle bauen, aber ich bin so müde. Ich muss mich erst noch ein bisschen ausruhen.«
»Wir können dir doch helfen«, bot Kallik ihr an. »Wir sitzen sowieso hier fest, bis sich der Dunst verzieht.«
»Das dürfte nicht mehr lange dauern«, erklärte Iniq. »Ich habe das schon erlebt, wir nennen es den schmutzigen Nebel. Er kommt mit dem Ostwind und verschwindet meist nach einer Weile wieder.« Sie senkte erschöpft den Kopf.
»Ich kann gut graben«, sagte Kallik. »Ich mache für dich und deine Jungen eine schöne Höhle.«
»Wirklich?« Iniqs Augen leuchteten vor Dankbarkeit.
»Das machen wir gerne«, erwiderte Kallik. »Stimmt’s, Ujurak?« Er nickte. Kallik grub eine kleine Mulde in den Schnee, in die sich Iniq hineinlegen konnte, und bearbeitete dann mit den Tatzen die Schneewehe. Sie war von ihrer Beschaffenheit her bestens geeignet für eine Höhle, wenn man einmal von den beunruhigenden rötlichen Flecken absah. Kallik schaufelte mit ihren großen Tatzen den Schnee zur Seite und klopfte die Wände fest. Ujurak, der ihr helfen wollte, dabei aber immer wieder ihre sorgsam aufgetürmten Haufen umwarf, schickte sie zu Iniq, damit er ihr Gesellschaft leistete.
Der rötliche Nebel hing noch in der Luft und das Licht hinter dem Dunst war unverändert schwach. Kallik schnupperte, ob der Geruch der Flachgesichter nachließ, doch der stinkende Nebel überlagerte alles.
Sie klopfte den letzten Schnee an den Wänden fest, als Iniq hinter ihr durch den Eingang krabbelte. Kallik merkte es erst, als die Bärin glücklich brummte.
»Ich kann gar nicht glauben, dass du das für mich getan hast«, freute sich Iniq.
»Habe ich gern gemacht«, entgegnete Kallik. Ujurak kroch gerade zu ihnen in die Höhle.
Iniq betrachtete Ujurak nachdenklich. »Bist du – nein, das kann nicht sein. Ich habe gehört, es wären vier.«
»Vier was?« Ujurak spitzte die Ohren.
»Na ja«, druckste Iniq verlegen herum. »Auf dem Eis geht so ein Gerücht um. Andere Bären haben gesagt, dass vier Bären gemeinsam unterwegs sind. Aber nur einer von ihnen ist ein Eisbär, die anderen sind braun und schwarz. Deshalb habe ich mich gefragt … weil du doch ein Braunbär bist … Aber vielleicht ist das ja auch nur Geschwätz.«
»Nein, das stimmt schon«, erwiderte Kallik. Andere Bären wussten von ihnen! »Es waren noch ein Braunbär und ein Schwarzbär bei uns. Aber die beiden sind zum Festland zurückgekehrt. Für sie war es zu gefährlich hier.«
Ujurak ließ den Kopf hängen und wandte sich ab, als wollte er seine Trauer vor Kallik verbergen.
»Ich bin nur am Leben, weil mir ein anderer Bär geholfen hat«, gab Iniq zu. »Meine Mutter ist gestorben, als ich noch sehr jung war. Ich dachte, ich würde auch sterben, aber dann bin ich einem Bären begegnet, der mir einen Teil seiner Beute überlassen hat. Er hat nicht viel gesprochen. Aber zumindest hat er mich nicht vertrieben. Ich habe das Jagen gelernt, indem ich ihm zugesehen habe.«
»Es tut mir
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