Seekers. Sternengeister: Band 6 (German Edition)
konnten. Als sie damit fertig waren, begann Kissimi, vor Hunger zu fiepen.
»Ich werde bald was für dich finden«, versprach Kallik, während sie hilflos in die leere Landschaft starrte. »Versuch erst mal ein bisschen zu schlafen.«
Aber das Wimmern des kleinen Bärenjungen hörte nicht auf.
Lusa wühlte den Schnee an einer Stelle auf, wo er weniger dicht lag. Bald stieß sie auf einige feste Blätter und Blütenstängel. Sie nahm etwas davon ins Maul, zerkaute es und legte den grünen Brei vor Kissimi in den Schnee.
»Probier das mal, Kleiner«, sagte sie.
Kissimi beschnupperte den Brei erst misstrauisch, dann leckte er ihn auf und blickte sich um, ob es nicht mehr davon gab.
»Danke«, sagte Kallik, während Lusa ein weiteres Maulvoll zubereitete.
Lusa spuckte den Brei aus. »Na ja, ich kann doch wohl nicht zusehen, wie er verhungert, oder?«, fragte sie mit einer gewissen Schärfe.
Mitleid mit dem kleinen Bären erfüllte sie, doch sie wollte es sich nicht anmerken lassen. Kallik sollte nicht glauben, dass sie sie dabei unterstützte, Kissimi seiner Verwandtschaft vorzuenthalten.
Als Kissimi gefressen hatte und sich zum Schlafen an Kalliks Seite schmiegte, grub Lusa noch ein paar weitere Pflanzen für sich selbst aus.
»Also, ich kann so ein Zeug nicht fressen«, knurrte Toklo. »Ich schau mal, ob ich einen Hasen finde.«
Lusa war zu müde, um mit ihm zu gehen. Sie blickte ihm nach, bis seine Gestalt mit der Dunkelheit verschmolzen war. Kallik hatte sich in der Höhle niedergelassen und lag so, dass ihr Körper Kissimi fast ganz umhüllte. Ujurak saß am Eingang und starrte in den Himmel, während der Wind durch seinen Pelz fuhr.
Lusa folgte seinem Blick. Das dunkle Himmelszelt war mit schwach leuchtenden Sternen gesprenkelt, aber von den tanzenden Seelen war nichts zu sehen.
Wo ist das Feuer hin?, fragte sie sich. Beklommenheit schnürte ihr den Magen zu.
»Ist es das, was wir als Nächstes tun?«, fragte sie Ujurak. »Die Himmelsgeister suchen?«
»Ich weiß nicht.« Ujurak wandte den Blick nicht von der sternenübersäten Finsternis über seinem Kopf. »Ich spüre noch immer, wie etwas an mir zerrt, tief in meinem Innern. Daher weiß ich, dass unsere Reise noch nicht zu Ende ist. Die Robben umzusiedeln war nicht genug.«
Er seufzte und schwieg eine Weile. Dann sah er Lusa mit ernstem, eindringlichem Blick an.
»Danke, dass du bis hierher mit mir gekommen bist, Lusa«, sagte er. »Ich weiß, wie weit du dich von deiner Heimat entfernt hast.«
Lusa war erstaunt. »Na, du doch aber auch.«
Ujurak hob den Kopf erneut zu den Sternen. »Irgendwie bin ich mir da nicht ganz sicher«, erwiderte er sanft.
Bevor Lusa antworten konnte, trat eine wuchtige Gestalt aus der Dunkelheit und ließ einen mageren Hasen vor ihr zu Boden fallen. »Das ist alles, was ich finden konnte«, erklärte Toklo mit angewidertem Schnauben.
»Das ist doch toll, Toklo.« Ujurak gab sich Mühe, Begeisterung in seine Stimme zu legen.
»Immerhin besser als nichts, nehme ich an«, brummte Toklo.
Als sie alles Fleisch, was der dürftige Hase hergab, verzehrt hatten, drängten die Bären sich in der Höhle zusammen. Lusa legte sich eine Tatze über die Nase, atmete tief und regelmäßig und überließ sich dem Schlaf. Doch kaum hatte sie die Augen geschlossen, da wurde sie von einem leisen Jammern aufgeschreckt.
Auf der anderen Seite der Höhle wälzte sich Kissimi unruhig hin und her, das winzige Maul halb geöffnet, während er ein gequältes Wimmern hören ließ.
»Bauch tut weh«, ächzte er.
Kallik beugte ihren Kopf über das kleine Junge, um es sanft zu schnäuzeln. »Ich hätte ihn diese Pflanzen nicht fressen lassen dürfen«, grämte sie sich.
Gewissensbisse nagten an Lusa. Es war ihre Idee gewesen, Kissimi die Pflanzen zu geben. »Ich hab’s nur gut gemeint«, sagte sie beschämt.
»Jetzt ist es zu spät, sich darüber Gedanken zu machen«, brummte Toklo missmutig. »Halt ihn ruhig, wenn’s geht. Sonst führt sein Gejammere die Eisbären direkt auf unsere Spur.«
»Vielleicht ist es ein Zeichen, dass er nicht bei uns bleiben kann«, wagte Lusa einen erneuten Vorstoß. Sie wollte Kallik unbedingt davon überzeugen, dass sie das Junge zurückgeben musste. »Du kannst nicht richtig für ihn sorgen.«
Kallik drehte sich mit einem Ruck zu ihr um. Alle Sanftheit, mit der sie Kissimi angesehen hatte, war aus ihrem Blick gewichen. Zornig funkelte sie Lusa an. »Ich kann sehr wohl für ihn sorgen!«
Auch Kissimi
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