Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
wissen, wo er sich rumtreibt. Außerdem passt seine Renate auf ihn auf, da passiert schon nichts. Aber falls du ihn doch erreichen solltest, könntest du ihm ausrichten, dass er umgehend ...«
»Mach ich doch!«, unterbreche ich ihn. »Kein Thema. Aber jetzt haben wir dir schon genug von deiner kostbaren Zeit gestohlen, du hast ja bestimmt noch jede Menge Arbeit.«
»Kannst du mir glauben.« Jens schlurft zur Tür und schließt auf. Wir sind bereits im Treppenhaus, als er uns nachruft: »Ihr habt nicht zufällig Interesse an moderner Kunst? Wolfi hat ein paar Sachen aufgehängt von dieser Künstlerin, aus Aulendorf, wenn ich mich recht erinnere. Vielleicht wollt ihr euch die anderen Bilder auch noch kurz anschauen? Renate meint, könnte ’ne sichere Zukunftsinvestition sein. Wie’s mit dem Euro weitergeht, weiß ja keiner. Auch nicht die in Berlin.«
»Ein anderes Mal gern!«, rufe ich zurück.
»Für heute reicht’s nämlich dicke«, fügt Rudolf hinzu. Aber das sagt er nur ganz leise.
6. Kapitel
Beide sind wir erschöpft, als wir endlich bei der Parkgarage ankommen. Dieses Mal haben wir fast den direkten Weg gewählt; zumindest hielten sich die Umwege in überschaubaren Grenzen. Einige waren allerdings unvermeidlich. Wir mussten wieder einen weiten Bogen um
Architektur und Design Uli Röckler
machen, was sich dann doch als problematisch herausstellte. Denn uns blieb nichts anderes übrig, als quer über eine Baustelle zu marschieren, die für Passanten gesperrt war, was uns heftige Verwünschungen durch die Bauarbeiter eintrug. Und das alles bloß, weil sie kurz mal ihren Bagger stoppen mussten.
Insgesamt bin ich aber trotz aller ungelösten Probleme ganz guter Laune. Rudolf übrigens auch, und sogar den Schrecken, als plötzlich der riesige Bagger mit Tempo auf uns zugefahren kam, steckte Rudolf vorhin erstaunlich locker weg. Ehrlich gesagt habe ich sogar den Verdacht, dass er umgänglicher ist, seitdem er nicht mehr den Berliner Trott hat und seine gewohnten fünf Mahlzeiten zu sich nimmt. Mein Herzallerliebster findet nämlich die Altstadt inzwischen entzückend, die Leute reizend und mich wunderschön. »Ich könnte mich direkt wieder in dich verlieben«, flüstert er mir ins Ohr.
Das
könnte
überhöre ich einfach. Stattdessen ziehe ich lieber ein positives Fazit. Mit Rudolf und mir klappt es doch ganz ausgezeichnet. Deshalb bekommt er auch einen ausgesprochen zärtlichen Kuss, bevor ich ihm vorschlage, er könne doch auf einer Bank vor dem Parkhaus warten. Die Aussicht auf eine vierspurige Straße ist zwar nicht so prickelnd, aber ich bin ja gleich wieder zurück. Theoretisch habe ich das auch vor. Praktisch wird es allerdings dadurch erschwert, dass ich mich erstens überhaupt nicht erinnern kann, wo genau ich das Auto abgestellt habe, und zweitens ist diese blöde Parkkarte immer noch nicht aufgetaucht.
Das Auto finde ich schließlich doch; eindeutig ein gutes Omen, und so mache ich mich mit frischer Energie auf die Suche nach der Parkkarte. Handschuhfach, Mittelkonsole, Seitentaschen, das übliche Programm eben. Dann alle Jackentaschen, und schließlich leere ich meine Handtasche auf dem Beifahrersitz aus. Bei der Gelegenheit taucht zwar mein lang und schmerzlich vermisster Lieblingslippenstift wieder auf (ein wahnsinniges Korallenrot, das so was von sexy wirkt), mit dem ich mir natürlich sofort die Lippen nachziehen muss, aber dann ist auch schon wieder Schluss mit den Erfolgserlebnissen. Von der Karte fehlt weiterhin jede heiße Spur. Mir bleibt vermutlich nichts anderes übrig, als die Fahndung auszuweiten.
Den Kofferraum kann ich vermutlich ausschließen, zumindest erinnere ich mich nicht daran, dass ich ihn überhaupt geöffnet habe. Aber da bleibt immer noch genügend übrig, wo sich das blöde Teil verstecken könnte. Auf allen Vieren taste ich den Fußraum ab, vor allem unter den Sitzen. Ich finde erstaunlich wenig Staubflusen (weniger zumindest als zuhause bei mir unterm Sofa), zwei alte Theaterkarten, einen Tankbeleg und eine zerfledderte Straßenkarte der österreichischen Alpen, also lauter Dinge, ohne die die Welt ganz gut zurechtkommt. Das Einzige, was wirklich wichtig wäre, taucht aber nicht auf.
Schließlich stelle ich die Suche ein; ich habe jetzt jeden Zentimeter abgegrast, auch noch die Fußmatten angehoben, in allen Zwischenräumen herumgetastet, mir bei der Gelegenheit zwei meiner frisch lackierten Fingernägel abgebrochen und bin kurzzeitig ratlos. Dann fällt mir
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