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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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während er zu den letzten Seiten weiterblätterte. »Aber vor allem diese Sequenzen geben uns zu denken.«
    Matthew überflog die Daten. Es gab über zwei Dutzend DNA-Sequenzen, teils kürzer, teils länger, neben die Miriam ein winziges rotes Fragezeichen gesetzt hatte.
    »Jesus«, sagte er und drückte seinem Sohn den Befund in die Hand.
»Wir haben auch so genug Sorgen. Dieser Drecksack Peter Knox hat sie bedroht. Er will das Manuskript. Diana wollte es noch einmal abrufen, aber Ashmole 782 hat sich in die Tiefen des Archivs zurückgezogen und weigert sich herauszukommen. Glücklicherweise ist Knox überzeugt  – vorerst  –, dass sie beim ersten Mal absichtlich den Bann gebrochen hat, um es in die Hände zu bekommen.«
    »Aber das hat sie nicht?«
    »Nein. Diana hat weder das Wissen noch die Übung, um einen so komplizierten Zauber zu brechen. Ihre Kräfte sind völlig ungezügelt. Sie hat mir ein Loch in den Teppich gebrannt.« Matthew sah seinen Sohn verdrossen an, und der konnte sich nur mit Mühe ein Lächeln verkneifen. Sein Vater liebte seine Antiquitäten.
    »Dann müssen wir Knox auf Abstand halten, bis Diana Gelegenheit hatte, ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Das klingt doch gar nicht so kompliziert.«
    »Knox ist nicht der Einzige, der mir Sorgen macht. Das hier lag heute in Dianas Post.« Matthew hob das Foto und das angeheftete Blatt auf und reichte beides seinem Sohn. Als er weitersprach, klang seine Stimme gefährlich tonlos. »Ihre Eltern. Ich kann mich erinnern, dass ich irgendwann von zwei amerikanischen Hexen gehört habe, die in Nigeria umgebracht wurden, aber das ist schon lange her. Ich habe die beiden nicht mit Diana in Verbindung gebracht.«
    »Heiliger Gott«, flüsterte Marcus. Er starrte auf das Bild und versuchte sich vorzustellen, wie er sich fühlen würde, wenn er ein Foto bekäme, auf dem sein Vater tot und in Fetzen gerissen im Dreck lag.
    »Und das ist nicht alles. Soweit ich es mir zusammenreimen kann, hat Diana immer geglaubt, ihre Eltern seien von Menschen umgebracht worden. Vor allem deshalb wollte sie ihr Leben von Magie frei halten.«
    »Das funktioniert aber nicht, oder?« Marcus dachte an die DNA der Hexe.
    »Nein«, bestätigte Matthew grimmig. »Während ich in Schottland war, hat ihr eine amerikanische Hexe namens Gillian Chamberlain
erzählt, dass ihre Eltern nicht von Menschen ermordet wurden  – sondern von anderen Hexen.«
    »Stimmt das?«
    »Das weiß ich nicht. Aber hier geht es eindeutig nicht nur darum, dass eine Hexe zufällig über Ashmole 782 gestolpert ist.« Matthews Tonfall war staubtrocken. »Und ich gedenke herauszufinden, worum es sonst noch geht.«
    Etwas Silbernes blitzte unter Matthews staubgrauem Pullover hervor.
    Er trägt den Lazarussarg, erkannte Marcus.
    Niemand in der Familie sprach je über Eleanor St. Leger oder die Ereignisse rund um ihren Tod, weil jeder fürchtete, damit einen von Matthews berüchtigten Zornesausbrüchen auszulösen. Soviel Marcus mitbekommen hatte, war sein Vater 1140 nur widerwillig aus Paris abgereist, wo er sich dem Philosophiestudium verschrieben hatte. Aber als das Oberhaupt der Familie, Matthews Vater Philippe, ihn nach Jerusalem zurückgerufen hatte, damit er dort half, die Konflikte zu lösen, in denen das Heilige Land noch lange nach dem Abschluss des Heiligen Kreuzzuges Urban des Zweiten steckte, hatte Matthew widerspruchslos gehorcht. Dort hatte er Eleanor kennengelernt, sich mit ihrer ausgedehnten englischen Verwandtschaft angefreundet und sich bis über beide Ohren verliebt.
    Aber weil die St. Legers und die de Clermonts allzu oft auf verschiedenen Seiten des Schlachtfeldes standen, hatten Matthews ältere Brüder  – Hugh, Godfrey und Baldwin  – ihn gedrängt, die Frau zu vergessen, damit sie endlich freie Bahn hatten, ihre Familie auszulöschen. Matthew hatte sich geweigert. Eines Tages geriet ein Zank zwischen Baldwin und Matthew über eine belanglose politische Krise, an der die St. Legers beteiligt waren, völlig außer Kontrolle. Ehe Philippe gefunden werden konnte, um zwischen seinen Söhnen zu schlichten, hatte sich Eleanor eingemischt. Bis Matthew und Baldwin wieder bei Sinnen waren, hatte sie schon zu viel Blut verloren, um sich noch zu erholen.
    Marcus verstand immer noch nicht, warum Matthew Eleanor hatte sterben lassen, wenn er sie wirklich so geliebt hatte.

    Inzwischen trug Matthew sein Pilgerzeichen nur noch, wenn er befürchtete, dass er jemanden umbringen könnte, oder wenn

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