Seelen der Nacht
anderen Ende der Leitung blieb es lange still. »Ach, Diana«, murmelte Em.
»Das Bild?«, fragte Sarah grimmig.
»Ja«, flüsterte ich.
Sarah fluchte. »Gib ihn mir noch mal.«
»Er kann dich auch so ausgezeichnet hören«, bemerkte ich. »Außerdem könnt ihr alles, was ihr ihm zu sagen habt, auch mir sagen.«
Matthews Hand wanderte von meiner Taille weiter zu meiner Wirbelsäule. Er begann sie mit der Handwurzel zu massieren und gegen die verhärteten Muskeln zu drücken, bis sie sich allmählich entspannten.
»Dann hört mir beide gut zu. Seht zu, dass ihr so weit wie möglich von Peter Knox wegkommt. Und dieser Vampir wird dafür sorgen,
dass du das tust, weil ich ihn andernfalls persönlich zur Verantwortung ziehen werde. Stephen Proctor war der angenehmste Mann, den man sich nur vorstellen kann. Es brauchte eine Menge, damit er jemanden ablehnte – doch diesen Hexer hat er zutiefst verabscheut. Diana, du kommst sofort nach Hause.«
»Das tue ich nicht, Sarah! Ich fahre mit Matthew nach Frankreich.« Sarahs weitaus weniger attraktive Alternative hatte mich auf der Stelle überzeugt.
Es blieb still.
»Frankreich?«, fragte Em zittrig.
Matthew streckte die Hand aus.
»Matthew möchte mit euch sprechen.« Bevor Sarah protestieren konnte, reichte ich ihm das Telefon.
»Ms Bishop? Haben Sie eine Rufnummernanzeige?«
Ich schnaubte. Das braune Telefon an der Küchenwand in Madison hatte eine Wählscheibe und ein meilenlanges Hörerkabel, damit Sarah beim Telefonieren durch die Wohnung wandern konnte. Man brauchte Ewigkeiten, wollte man nur eine andere Nummer im Ort anrufen. Rufnummernanzeige? Von wegen.
»Nein? Dann schreiben Sie sich bitte diese Nummern auf.« Matthew gab Ziffer für Ziffer seine Handynummer und dann eine zweite Telefonnummer an, vermutlich die seines Hauses, gefolgt von detaillierten Anweisungen für einen Auslandsanruf. »Sie können jederzeit anrufen.«
Matthews verdutzter Miene nach zu schließen, wusch ihm Sarah gehörig den Kopf.
»Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ihr nichts passiert.« Er reichte mir das Telefon.
»Ich mache jetzt Schluss. Ich liebe euch beide. Macht euch keine Sorgen.«
»Sag uns nicht ständig, wir sollen uns keine Sorgen machen«, schalt mich Sarah. »Du bist unsere Nichte. Wir machen uns sehr wohl Sorgen, Diana, und werden das wahrscheinlich auch weiterhin tun müssen.«
Ich seufzte. »Wie kann ich euch überzeugen, dass es mir gut geht?«
»Zunächst einmal könntest du öfter anrufen«, beschied sie mir grimmig.
Nachdem wir uns verabschiedet hatten, blieb ich neben Matthew stehen und wich seinem Blick aus. »Das ist alles meine Schuld, genau wie Sarah gesagt hat. Ich habe mich aufgeführt wie ein ahnungsloser Mensch.«
Er wandte sich ab, ging zum Ende des Sofas, so weit weg von mir, wie es in dem kleinen Zimmer möglich war, und ließ sich in die Polster sinken. »Dein Vorsatz, der Magie keinen Platz in deinem Leben einzuräumen – den hast du als einsames, verängstigtes Kind gefasst. Und jetzt fühlst du dich bei jedem Schritt, als würde deine gesamte Zukunft davon abhängen, ob es dir gelingt, den Fuß an der richtigen Stelle abzusetzen.«
Matthew sah verblüfft auf, als ich mich neben ihn setzte und schweigend seine Hand nahm, ohne dass ich dabei der Versuchung nachgegeben hätte, ihm zu versichern, dass alles gut werden würde.
»In Frankreich könntest du vielleicht ein paar Tage einfach du sein – ohne dass du dir Sorgen machen müsstest, du könntest irgendwas falsch machen«, fuhr er fort. »Vielleicht könntest du dich dort ausruhen – obwohl ich noch nie gesehen habe, dass du wirklich zur Ruhe kommst. Du bewegst dich sogar im Schlaf, weißt du das?«
»Ich habe keine Zeit, mich auszuruhen, Matthew.« Schon jetzt hatte ich Bedenken, aus Oxford abzureisen. »Die Konferenz über Alchemie findet in nicht einmal sechs Wochen statt. Dort soll ich den Eröffnungsvortrag halten. Ich habe gerade erst damit angefangen, und ohne Zugang zur Bodleian bekomme ich ihn unmöglich rechtzeitig fertig.«
Matthew kniff abwägend die Augen zusammen. »Dein Vortrag beschäftigt sich mit alchemistischen Illustrationen, nehme ich an?«
»Genau, mit der allegorischen Bildertradition in England.«
»Dann wärst du wahrscheinlich nicht daran interessiert, einen Blick in meine Kopie der Aurora Consurgens zu werfen. Die stammt zwar aus dem 14. Jahrhundert, ist aber leider auf Französisch.«
Ich riss die Augen auf. Die Aurora Consurgens war ein
Weitere Kostenlose Bücher