Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
Vom Netzwerk:
einzigartiges
Traktat über die widerstreitenden Kräfte bei allen alchemistischen Transformationen  – Silber und Gold, weiblich und männlich, dunkel und hell. Die Illustrationen waren ebenso komplex wie verwirrend.
    »Die früheste bekannte Kopie der Aurora stammt aus dem Jahr 1420.«
    »Meine wurde 1356 verfasst.«
    »Aber eine so frühe Handschrift ist garantiert nicht illustriert«, merkte ich an. Eine bebilderte alchemistische Handschrift aus der Zeit vor 1400 zu finden war so unwahrscheinlich, wie einen Ford aus dem zwanzigsten Jahrhundert auf dem Schlachtfeld von Gettysburg stehen zu sehen.
    »Die hier schon.«
    »Enthält sie alle achtunddreißig Illustrationen?«
    »Nein. Sondern vierzig.« Er lächelte. »So wie es aussieht, haben sich die Historiker in mehreren Punkten geirrt.«
    Entdeckungen von solchem Ausmaß waren höchst selten. Als Erste den Blick in eine illustrierte Ausgabe der Aurora Consurgens aus dem vierzehnten Jahrhundert werfen zu können, war für eine Historikerin mit dem Forschungsschwerpunkt Alchemie die Chance ihres Lebens.
    »Was zeigen die beiden zusätzlichen Illustrationen? Stimmt der Text mit den späteren Fassungen überein?«
    »Um das herauszufinden, müsstest du nach Frankreich kommen.«
    »Dann fahren wir«, sagte ich wie aus der Pistole geschossen. Nachdem ich wochenlang vergeblich mit mir gerungen hatte, lag das Thema meines Eröffnungsvortrages plötzlich zum Greifen nahe.
    »Du wärst nicht gefahren, um dich in Sicherheit zu bringen, aber für ein Manuskript tust du es?« Er schüttelte fassungslos den Kopf. »So viel zu deiner Vernunft.«
    »Für die war ich noch nie berühmt«, gestand ich. »Wann geht es los?«
    »In einer Stunde.«
    »Eine Stunde.« Das war keine spontane Entscheidung. Er hatte alles geplant, seit ich gestern Abend eingeschlafen war.

    Er nickte. »Auf der Startbahn des ehemaligen amerikanischen Stützpunkts wartet ein Flugzeug. Wie lange brauchst du zum Packen?«
    »Das hängt davon ab, was ich mitnehmen muss.« In meinem Kopf drehte sich alles.
    »Nicht viel. Wir gehen bestimmt nicht viel aus. Pack dir etwas Warmes ein, außerdem nehme ich an, dass du nicht ohne deine Laufschuhe verreisen möchtest. Dort sind wir beide mit meiner Mutter und ihrer Haushälterin allein.«
    Seiner. Mutter.
    »Matthew«, sagte ich schwach, »ich wusste gar nicht, dass du eine Mutter hast.«
    »Jeder hat eine Mutter, Diana.« Er sah mich mit seinen klaren grauen Augen an. »Ich hatte sogar zwei. Zum einen die Frau, die mich geboren hat, zum anderen Ysabeau — die Frau, die mich zum Vampir gemacht hat.«
    Matthew war das eine. Ein Haus voller fremder Vampire etwas anderes. Die Angst davor dämpfte meine Begeisterung, das Manuskript sehen zu dürfen, doch deutlich. Offenbar war mir das Zögern anzusehen.
    »Das hatte ich nicht bedacht.« Er klang verletzt. »Natürlich hast du keinen Grund, Ysabeau zu trauen. Aber sie hat mir versichert, dass du bei ihr und Marthe sicher sein wirst.«
    »Wenn du ihnen vertraust, tue ich es auch.« Zu meiner Überraschung meinte ich das ehrlich  – obwohl es mir durchaus zusetzte, dass er sie vorab hatte fragen müssen, ob sie eventuell vorhätten, mir ein Stück aus dem Nacken zu beißen.
    »Danke«, sagte er schlicht. Matthews Blick kam auf meinem Mund zu liegen, und sofort begann mein Blut zu kribbeln. »Während du packst, wasche ich ab und erledige ein paar Anrufe.«
    Als ich aufstand, fing er meine Hand. Wieder einmal löste sein eiskalter Griff ein warmes Gefühl in meiner Hand aus.
    »Du tust das Richtige«, murmelte er, bevor er mich losließ.
    Ich hatte in den nächsten Tagen waschen wollen, und überall im Schlafzimmer lag schmutzige Wäsche herum. Eine Inspektion meines
Kleiderschranks erbrachte mehrere fast identische, saubere schwarze Hosen, einige wenige Leggings und ein halbes Dutzend langärmliger T-Shirts und Rollkragenpullover. Im obersten Fach lag eine abgewetzte Reisetasche mit dem Aufdruck der Yale-Universität, deren Tragegurt ich bei einem konzentrierten Sprung zu fassen bekam. Die Anziehsachen wanderten allesamt in die alte blau-weiße Leinentasche, zusammen mit ein paar Sweatern und einem Fleecepullover. Außerdem packte ich Turnschuhe, Socken und Unterwäsche sowie ein paar alte Yoga-Klamotten ein. Ich würde sie zum Schlafen anziehen, da ich keinen anständigen Pyjama besaß. Dann dachte ich an Matthews französische Mutter und legte noch eine halbwegs präsentable Bluse und Hose dazu.
    Matthews leise

Weitere Kostenlose Bücher