Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
Vom Netzwerk:
er wieder. »Dir fehlen noch die letzten dreißig Stufen.«
    Matthew führte mich ans andere Ende des Raumes zu einer zweiten Treppe. Auch diese schraubte sich dem Himmel entgegen. Dreißig flache Stufen später stand ich am Eingang zu einem weiteren Raum, der von einem riesigen Himmelbett aus Walnussholz, mit Baldachin und schweren Vorhängen, beherrscht wurde. Hoch darüber waren die Sparren und Balken zu sehen, die das Kupferdach hielten. Gegen eine Wand war ein Tisch gerückt worden, in eine andere ein Kamin eingelassen, vor dem ein paar bequeme Sessel aufgestellt worden waren. Gegenüber war hinter einer halb offenen Tür eine enorme Badewanne zu sehen.
    »Ein richtiges Falkennest«, stellte ich fest und spähte aus dem Fenster. Matthew hatte die Landschaft seit dem Mittelalter aus diesen Fenstern betrachtet. Kurz fragte ich mich, wie viele Frauen er wohl schon hierhergebracht hatte. Die erste war ich mit Sicherheit nicht, trotzdem glaubte ich nicht, dass es viele gewesen waren. Das Château strahlte etwas höchst Privates aus.
    Matthew stellte sich hinter mich und sah mir über die Schulter. »Gefällt es dir?« Sein Atem strich leicht über mein Ohr. Ich nickte.
    »Wie lange?« Ich musste das einfach fragen.
    »In diesem Turm?«, fragte er. »Etwa siebenhundert Jahre.«
    »Und das Dorf? Weiß man dort über dich Bescheid?«
    »Ja. Wie ihr Hexen leben auch Vampire sicherer, wenn sie zu einer Gemeinschaft gehören, in der man über sie Bescheid weiß und darum nicht allzu viele Fragen stellt.«
    Generationen von Bishops hatten in Madison gelebt, ohne dass jemand viel Aufhebens darum gemacht hätte. Genau wie Peter Knox versteckten wir uns in aller Öffentlichkeit.
    »Danke, dass du mich nach Sept-Tours gebracht hast«, sagte ich. »Hier fühle ich mich sicherer als in Oxford.« Trotz Ysabeau.
    »Danke, dass du dich meiner Mutter gestellt hast.« Matthew lachte leise, als hätte er meinen unausgesprochenen Nachsatz gehört. Ein unverkennbarer
Nelkenduft begleitete das Lachen. »Sie ist überfürsorglich, wie fast alle Eltern.«
    »Ich kam mir so blöd vor  – und so schlecht angezogen. Ich habe absolut nichts dabei, was sie gutheißen würde.« Ich biss mir auf die Lippe und zog die Stirn in Falten.
    »Meine Mutter hat nicht einmal Coco Chanels Aufzug gutgeheißen. Vielleicht setzt du deine Ziele ein bisschen zu hoch an.«
    Ich lachte, drehte mich um und suchte seinen Blick. Als ich ihn gefunden hatte, stockte mir der Atem. Matthews Augen kamen erst auf meinen Augen, dann meinen Wangen und schließlich meinem Mund zu liegen. Seine Hand strich über meine Wange.
    »Du bist so lebendig«, sagte er grollend. »Du solltest mit einem viel, viel jüngeren Mann zusammen sein.«
    Ich stellte mich auf die Zehen. Er beugte sich vor. Bevor sich unsere Lippen berühren konnten, klapperte ein Tablett auf den Tisch.
    »Vos etz arbres e branca«, sang Marthe und sah Matthew verschmitzt an.
    Er lachte und sang in seinem klaren Bariton weiter: »On fruitz de gaug s’asazona.«
    »Was ist das für eine Sprache?« Ich ließ mich von den Zehenspitzen herunter und folgte Matthew an den Kamin.
    »Die alte«, erwiderte Marthe.
    »Okzitanisch.« Matthew hob die silberne Haube von dem Teller. Das Aroma eines warmen Frühstücks erfüllte den Raum. »Marthe hat beschlossen, ein Gedicht zu rezitieren, bevor du dich zum Essen hinsetzt.«
    Marthe schlug kichernd mit einem Handtuch, das sie von ihrer Taille abgezogen hatte, nach Matthews Handgelenk. Er stellte die Haube auf der Tischplatte ab und setzte sich.
    »Kommen Sie, kommen Sie«, sagte sie und deutete auf den Stuhl ihm gegenüber. »Setzen Sie sich, essen Sie.« Ich tat wie geheißen. Marthe schenkte Matthew aus einer hohen Karaffe mit silbernem Griff ein Glas Wein ein.
    »Mercés« , murmelte er und reckte sofort gespannt die Nase über das Glas.

    Eine zweite Karaffe enthielt eiskaltes Wasser, das Marthe in einen weiteren Kelch goss, um ihn mir zu reichen. Außerdem schenkte sie mir eine Tasse Tee ein, den ich sofort als eine Sorte von Mariage Frères aus Paris erkannte. Offenbar hatte Matthew meine Schränke durchforstet, während ich gestern geschlafen hatte, und daraufhin eine exakte Einkaufsliste durchgegeben. Marthe goss, bevor er sie bremsen konnte, Sahne in meinen Tee, und ich warf ihm einen warnenden Blick zu. Im Moment konnte ich jeden Verbündeten brauchen. Außerdem war ich zu durstig, als dass es mir wichtig gewesen wäre. Er lehnte sich gehorsam in seinem Sessel

Weitere Kostenlose Bücher