Seelen der Nacht
Blicke der beiden Männer. Georges sagte etwas, aus dem ich schloss, dass ich seinen Ansprüchen genügte. Matthew nickte nachdenklich und hielt mir Weste und Helm hin. Die Weste war eng und steif, aber nicht so unbequem, wie ich befürchtet hatte. Damit der Helm nicht auf meinen Pferdeschwanz drückte, zog ich das Gummiband tiefer, bevor ich den Kinnriemen zuzog. Ich hatte kaum Zeit, die Zügel zu nehmen und einen Fuß in Rakasas Steigbügel zu setzen, da stand Matthew schon hinter mir.
»Kannst du denn nie warten, bis ich dir helfe?«, knurrte er mir ins Ohr.
»Ich kann selbst auf ein Pferd steigen«, erwiderte ich hitzig.
»Aber das musst du nicht.« Matthews Hände umschlossen mein Schienbein und hoben mich mühelos in den Sattel. Danach prüfte er die Länge des Steigbügels, zog den Sattelgurt noch einmal nach und ging dann endlich zu seinem eigenen Pferd. Mit geübter Präzision, die verriet, dass er seit Jahrhunderten ritt, schwang er sich in den Sattel. Auf dem Rücken eines Pferdes sah er wahrhaft königlich aus.
Rakasa begann ungeduldig zu tänzeln, und ich schob die Hacken nach unten. Verdutzt hielt sie inne. »Ruhig«, flüsterte ich ihr zu. Sie nickte kurz und sah nach vorn, nur ihre Ohren wackelten noch.
»Reit mit ihr über die Koppel, während ich meinen Sattel kontrolliere«, schlug Matthew beiläufig vor, wobei er das linke Knie über Dahrs Schulter schwang und an seinem Steigbügel herumhantierte. Ich sah ihn aus schmalen Augen an. Sein Steigbügel saß perfekt. Er wollte wissen, wie gut ich reiten konnte.
Ich führte Rakasa im Schritt über die halbe Koppel, um mich an ihren Gang zu gewöhnen. Die Andalusierin tanzte, hob graziös die Füße und setzte sie in einer wunderschönen wiegenden Bewegung wieder ab. Als ich die Absätze in ihre Flanken drückte, steigerte sich Rakasas tänzelnder Schritt zu einem genauso lockeren, geschmeidigen Trab. Wir ritten an Matthew vorbei, der es aufgegeben hatte, so zu tun, als wollte er seinen Sattel kontrollieren. Georges lehnte breit lächelnd am Zaun.
Schönes Mädchen, hauchte ich Rakasa unhörbar zu. Ihr linkes Ohr klappte zurück, und sie beschleunigte leicht. Meine Wade presste sich in ihre Flanke, knapp hinter dem Steigbügel, und sie fiel in einen leichten Galopp, mit weit vorgreifenden Hufen und elegant gebogenem Hals. Wie wütend würde Matthew wohl werden, wenn wir über den Zaun sprangen?
Auf jeden Fall ziemlich wütend.
Rakasa nahm die letzte Kurve, und ich bremste sie auf einen lockeren Trab ab. »Und?«, wollte ich wissen.
Georges nickte und öffnete das Tor der Koppel.
»Deine Haltung ist gut«, stellte Matthew mit Blick auf meinen Rücken fest. »Und deine Führung auch. Du schaffst das schon. Übrigens«, er lehnte sich zu mir herüber und senkte die Stimme, »wenn du dahinten über den Zaun gesprungen wärst, wäre der Ausritt für heute zu Ende gewesen.«
Sobald die Gärten und das alte Tor hinter uns lagen, begannen die Bäume dichter zu stehen, und Matthew horchte den Wald ab. Nach ein paar Schritten begann er sich zu entspannen. Er hatte jede Kreatur im Wald geortet und festgestellt, dass keine davon auf zwei Beinen ging.
Matthew ließ Dahr mit einem leichten Hackentritt antraben, doch Rakasa wartete gehorsam, bis ich sie ebenfalls antrieb. Ich tat es, erneut erstaunt, wie geschmeidig sie sich bewegte.
»Was für eine Rasse ist Dahr eigentlich?«, fragte ich.
»Wahrscheinlich könnte man ihn als Schlachtross bezeichnen«, erklärte Matthew. Auf solchen Tieren hatten die Ritter ihre Kreuzzüge
unternommen. »Er wurde auf Geschwindigkeit und Wendigkeit gezüchtet.«
»Ich hätte mir ein Schlachtross viel größer vorgestellt.« Dahr war zwar größer als Rakasa, aber nicht wesentlich.
»Für ihre Zeit waren sie auch groß. Trotzdem waren sie nicht so groß, dass sie einen Mann aus meiner Familie in die Schlacht hätten tragen können, nicht wenn der in Rüstung und Waffen war. Also ritten wir Pferde wie Dahr nur zum Training und zu unserem Vergnügen und zogen stattdessen auf Percherons wie Balthasar ins Gefecht.«
Ich starrte auf einen Fleck zwischen Rakasas Ohren, bis ich den Mut aufgebracht hatte, ein weiteres Thema anzuschneiden. »Darf ich etwas zu deiner Mutter fragen?«
»Natürlich.« Matthew drehte sich im Sattel zu mir her. Die Faust hatte er in die Hüfte gestemmt und hielt locker mit der anderen Hand die Zügel. Jetzt wusste ich mit absoluter Gewissheit, wie ein Ritter aus dem Mittelalter auf seinem Pferd
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