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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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gefunden hatte, hier heraufzukommen, Dutzende von Kerzen auszuwechseln und sie so anzuzünden, dass sie immer noch brannten, wenn ich ins Bett ging, war mir ein Rätsel, aber nachdem es hier oben keine Steckdose gab, war ich ihr ausgesprochen dankbar.
    Während ich mich im Bad hinter der angelehnten Tür umzog, hörte ich mir an, was Matthew für den nächsten Tag geplant hatte. Unter anderem einen langen Spaziergang, einen weiteren Ausritt und intensives Studium im Arbeitszimmer.
    Ich war mit allem einverstanden  – vorausgesetzt, dass das Studium an erster Stelle kam. Das alchemistische Manuskript rief nach mir, und ich konnte es kaum erwarten, einen tieferen Blick hineinzuwerfen.
    Ich legte mich in Matthews riesiges Himmelbett, und er zog die Decke über mir straff, bevor er mit den Fingerspitzen eine Flamme nach der anderen ausdrückte.
    »Sing mir was vor«, sagte ich, während ich beobachtete, wie seine langen Finger sich furchtlos durch die Flammen bewegten. »Ein altes Lied  – eines, das Marthe gefallen würde.« Ihre ironische Vorliebe für Liebeslieder war mir nicht entgangen.
    Schweigend wanderte er durchs Zimmer, löschte die Kerzen und zog dabei immer längere Schatten hinter sich her, je dunkler der Raum wurde. Dann begann er in seinem vollen Bariton zu singen.
    Ni muer ni viu ni no guaris,
Ni mal no-m sent e si l’ai gran,
Quar de s’amor no suy devis,
Ni no sai si ja n’aurai ni quan,
Qu’en lieys es tota le mercés
Que·m pot sorzer o decazer.
    Es war ein Lied voller Sehnsucht, schon beinahe todtraurig. Und es endete, als er an mein Bett zurückkehrte. Die eine Kerze auf dem Nachttisch ließ Matthew brennen.
    »Was hat der Text zu bedeuten?« Ich fasste nach seiner Hand. »Ich bin nicht tot und nicht lebendig und werde auch nicht gesund, meine Krankheit ist für mich kein Leid, denn sie hält mich mit ihrer Liebe hin.« Er beugte sich zu mir herab und küsste mich auf die Stirn. »Ich weiß nicht, ob ich sie je gewinnen werde oder wann, denn ich bin ihrer Gnade ausgeliefert, mich erblühen oder vergehen zu lassen.«
    »Wer hat das geschrieben?«, fragte ich. Es war beängstigend, wie gut der Text passte, wenn ein Vampir ihn sang.
    »Mein Vater schrieb das für Ysabeau. Aber jemand anderes heimste den Ruhm dafür ein.« Matthews Augen glänzten, und er lächelte fröhlich und zufrieden. Leise summend ging er nach unten. Ich lag allein in seinem Bett und sah der letzten Kerze beim Niederbrennen zu, bis sie blakend erlosch.

21
    A ls ich am nächsten Morgen aus der Dusche kam, erwartete mich ein Vampir mit einem Frühstückstablett in den Händen.
    »Ich habe Marthe gesagt, dass du heute Vormittag arbeiten möchtest«, erklärte Matthew und hob die Wärmehaube über dem Tablett an.
    »Ihr beide verwöhnt mich.« Ich faltete die Serviette auf, die auf einem Stuhl bereitlag.
    »Ich glaube nicht, dass dein Charakter akut gefährdet ist.« Matthew beugte sich über mich und küsste mich mit lustvoll verhangenem Blick. »Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?«
    »Ausgezeichnet.« Ich nahm ihm den Teller ab und wurde rot, als mir wieder einfiel, wozu ich ihn gestern Abend eingeladen hatte. Ich spürte immer noch einen leichten Stich, wenn ich mich an seine freundliche Abfuhr erinnerte, aber der Kuss heute Morgen überzeugte mich, dass uns mehr verband als reine Freundschaft und wir uns in eine neue Richtung bewegten.
    Nach meinem Frühstück gingen wir nach unten, schalteten beide Computer ein und machten uns ans Werk. Matthew hatte eine ganz gewöhnliche, englische Vulgata-Bibel aus dem neunzehnten Jahrhundert neben das Manuskript auf den Tisch gelegt.
    »Danke«, rief ich ihm über die Schulter zu und hob die Bibel hoch.
    »Ich habe sie unten gefunden. Offenbar ist dir die eine, die ich besitze, nicht gut genug.« Er grinste.
    »Ich werde auf gar keinen Fall eine Gutenberg-Bibel als Nachschlagewerk missbrauchen, Matthew.« Ich klang strenger als beabsichtigt und ein bisschen lehrerinnenhaft.
    »Ich kenne die Bibel in- und auswendig. Wenn du etwas wissen willst, kannst du mich auch einfach fragen«, schlug er vor.

    »Ich werde auch dich nicht als Nachschlagewerk missbrauchen.«
    »Wie du meinst.« Er zuckte mit den Achseln und lächelte wieder.
    Mit dem Computer neben mir und dem alchemistischen Manuskript vor mir war ich bald nur noch mit Lesen, Analysieren und Notieren meiner Ideen beschäftigt. Nur einmal wurde ich abgelenkt, als ich Matthew um ein kleines Gewicht bat, mit dem ich

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