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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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Bestand, aber soweit es uns Vampire angeht, sind wir verheiratet.«
    »Also nicht, als ich sagte, dass ich dich liebe, und auch nicht, als du mir am Telefon erklärt hast, dass du mich liebst  – sondern erst, als du
zurückkamst und mir dabei in die Augen gesehen hast?« Das musste klargestellt werden. Ich beschloss, auf meinem Computer eine neue Datei anzulegen  – »Sätze, die eine Hexe ganz anders auffasst, als ein Vampir sie gemeint hat«.
    »Vampire verpaaren sich wie Löwen oder Wölfe«, erklärte er und klang dabei wie ein Wissenschaftler in einem Dokumentarfilm. »Das Weibchen wählt aus, mit wem es sich paaren will, und sobald sich das Männchen dazu bereiterklärt hat, ist die Sache erledigt. Damit sind die beiden bis an ihr Lebensende verpaart, und die Gemeinschaft muss ihre Verbindung anerkennen.«
    »Aha«, sagte ich schwach. Wir waren wieder bei den norwegischen Wölfen angekommen.
    »Allerdings hat mir das Wort paaren nie wirklich gefallen. Das klingt immer so unpersönlich, fast als würde man Socken oder Schuhe zusammenstellen.« Matthew setzte seinen Weinkelch ab, verschränkte die Arme und stützte sie auf die vernarbte Tischplatte. »Aber bist du keine Vampirin. Stört es dich, wenn ich dich als meine Frau betrachte?«
    Ein kleiner Wirbelwind fegte durch meinen Kopf, als ich mir darüber klar zu werden versuchte, was meine Liebe zu Matthew einerseits mit den gefährlichsten Raubtieren des Tierreiches und andererseits mit einer sozialen Institution verband, für die ich mich nie besonders begeistert hatte. In diesem Wirbelwind gab es keine Warnzeichen oder Wegweiser, die mir halfen, mich zurechtzufinden.
    »Und wenn zwei Vampire sich paaren«, wollte ich wissen, als ich die Stimme wiedergefunden hatte, »wird vom Weibchen erwartet, dass es dem Männchen ebenso gehorcht wie das übrige Rudel?«
    »Ich fürchte, ja«, sagte er und sah verlegen auf seine Hände.
    »Hmm.« Ich kniff die Augen leicht zusammen und starrte auf seinen dunklen, gesenkten Kopf. »Und was springt für mich bei diesem Arrangement heraus?«
    »Liebe, Ehre, Schutz und Beistand«, sagte er, als er endlich den Mut aufbrachte, mir in die Augen zu sehen.
    »Das hört sich verdächtig nach einem mittelalterlichen Ehegelübde an.«

    »Diesen Teil der Liturgie hat ein Vampir geschrieben. Aber ich will wirklich nicht, dass du mir dienst«, versicherte er mir eilig und versuchte sich an einem schiefen Grinsen.
    »Ich sollte dich darauf hinweisen, mein Ehemann, dass dich deine Mutter genau genommen nicht vor deiner Ehefrau beschützt hat.« Die Worte Ehemann und Ehefrau hörten sich ungewohnt an. »Unter den eben genannten Bedingungen war ich, bevor du heimkamst, nicht deine Frau. Ich war nur irgendein Geschöpf, das du hier zurückgelassen hast wie ein Päckchen ohne Nachsendeadresse. Unter diesen Umständen bin ich noch gut weggekommen.«
    Ein Lächeln flatterte um seine Mundwinkel. »Glaubst du wirklich? Dann sollte ich mich vermutlich deinem Wunsch beugen und ihr verzeihen.« Er fasste nach meiner Hand, hob sie an den Mund und strich mit den Lippen über meine Knöchel. »Ich habe gesagt, dass du mir gehörst. Und ich habe es so gemeint.«
    »Darum hat sich Ysabeau so aufgeregt, als du mich gestern im Hof geküsst hast.« Es erklärte sowohl ihren Zornesausbruch als auch die unerwartete Kapitulation. »Nachdem du mir deine Liebe erklärt hattest, gab es kein Zurück mehr.«
    »Nicht für einen Vampir.«
    »Für eine Hexe auch nicht.«
    Matthew durchschnitt die schwere Stille, indem er vielsagend auf meinen leeren Teller sah. Ich hatte drei Portionen Eintopf verdrückt, obwohl ich immer wieder bekräftigt hatte, dass ich nicht hungrig sei.
    »Bist du fertig?«, fragte er.
    »Ja«, grummelte ich verärgert, weil ich ertappt worden war.
    Es war noch früh, trotzdem musste ich immer wieder gähnen. Wir trafen auf Marthe, die damit beschäftigt war, einen riesigen Holztisch mit einer duftenden Mischung aus kochendem Wasser, Meersalz und Zitronensaft abzuschrubben, und wünschten ihr gute Nacht.
    »Ysabeau wird bald zurückkommen«, erklärte ihr Matthew.
    »Sie wird die ganze Nacht wegbleiben«, erwiderte Marthe düster und sah dabei kurz von ihren Zitronen auf. »Ich warte hier auf sie.«
    »Wie du meinst, Marthe.« Er drückte kurz ihre Schulter.

    Auf der Treppe zu seinem Arbeitszimmer erzählte mir Matthew, wie er damals Vesalius’ Anatomiebuch erstanden und was er sich gedacht hatte, als er zum ersten Mal die Illustrationen

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