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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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und tu es.«
    »Danke.« Selbst wenn er Matthews Bruder war, machte mich Baldwins Nähe ausgesprochen nervös. Ich streckte ihm zum Abschied den in Verbände gepackten rechten Arm hin.
    »Schwester, in einer Familie verabschiedet man sich anders.« Ich hörte die leise Ironie, mit der er das sagte. Er ließ mir keine Zeit zu reagieren, sondern packte mich an den Schultern und küsste mich nacheinander auf beide Wangen. Als sein Gesicht an meinem vorbeizog,
atmete er tief meinen Duft ein. Es fühlte sich an wie eine Drohung, und ich fragte mich, ob es wohl so gemeint war. Dann gab er mich frei und stand auf. »Matthew, à bientôt.«
    »Warte.« Matthew folgte seinem Bruder. Er schirmte meinen Blick mit seinem breiten Rücken ab und drückte Baldwin einen Umschlag in die Hand. Trotzdem konnte ich den gewölbten schwarzen Wachsfleck darauf erkennen.
    »Du hast gesagt, du würdest dich nicht meinem Befehl unterstellen. Nach La Pierre hast du dich vielleicht anders entschieden.«
    Baldwin starrte das weiße Rechteck an. Seine Miene verzog sich ärgerlich, dann ordnete sie sich in resignierte Falten. Er nahm den Umschlag entgegen, neigte den Kopf und sagte: »Je suis à votre commande, seigneur. «
    Es war eine formvollendete Erwiderung, wie sie das Protokoll vorschrieb, aber er sprach ohne echtes Gefühl. Baldwin hatte sich rein formell Matthews Autorität gebeugt. Ironisch tippte er sich mit dem Umschlag an die Stirn, als wollte er damit salutieren.
    Matthew wartete, bis Baldwin außer Sichtweite war, ehe er zu mir zurückkehrte. Seine Hände schlossen sich um die Griffe des Rollstuhls. »Los, gehen wir zum Auto.«
    Irgendwo über dem Atlantik hatte Matthew alles für unsere Ankunft vorbereitet. Direkt vor dem Terminal übernahmen wir einen Range Rover von einem uniformierten Fahrer, der die Schlüssel in Matthews Hand legte, unsere Koffer in den Kofferraum wuchtete und dann ohne ein weiteres Wort verschwand. Matthew griff auf den Rücksitz, zog einen blauen Parka hervor, der eher für eine Arktis-Expedition als für den New Yorker Herbst gedacht schien, und breitete ihn wie ein daunengefülltes Nest über den Beifahrersitz.
    Bald fuhren wir erst durch den morgendlichen Stoßverkehr und dann über Land. Das Navigationssystem, das wir mit der Adresse des Hauses in Madison gespeist hatten, informierte uns, dass wir in gut vier Stunden ankommen sollten. Ich sah zum heller werdenden Himmel auf und begann mir Sorgen zu machen, wie Sarah und Em wohl auf Matthew reagieren würden.

    »Wir kommen kurz nach dem Frühstück an. Das wird interessant.« Bevor in Sarahs Adern genug Kaffee floss  – und zwar am besten eine ganze Kanne  –, war sie nur schwer zu ertragen. »Wir sollten anrufen und Bescheid sagen, wann wir eintreffen.«
    »Sie wissen schon Bescheid. Ich habe sie von Sept-Tours aus angerufen.«
    Rundum versorgt und leicht schläfrig vom Morphin ließ ich mich in die Polster sinken.
    Wir kamen an kleinen Farmen und Häuschen vorbei, in deren Küchen und Schlafzimmern die ersten Morgenlichter brannten. Im Oktober zeigt sich der Bundesstaat New York von seiner schönsten Seite. Jetzt standen die rot und gold belaubten Bäume in Flammen. Wenn das Laub erst gefallen war, würden Madison und die Umgebung in rostgraue Eintönigkeit verfallen und darin verharren, bis der erste Schnee alles mit jungfräulich weißem Zuckerguss bedeckte.
    Wir bogen auf die Holperpiste, die zum Haus der Bishops führte. Das aus dem achtzehnten Jahrhundert stammende Gebäude wirkte klobig und großzügig zugleich und stand etwas von der Straße zurückgesetzt auf einer kleinen Anhöhe, die locker mit alten Apfelbäumen und Fliederbüschen bepflanzt war. Die weiße Holzvertäfelung des Hauses gehörte dringend frisch gestrichen, und der alte Staketenzaun war an manchen Stellen eingesunken. Doch über beiden Kaminen standen wie ein Willkommensgruß blasse Rauchwolken, und die Luft roch herbstlich nach Holzrauch.
    Matthew bog in die Zufahrt, die mit dünn vereisten Schlaglöchern übersät war. Der Range Rover rumpelte darüber hinweg, und gleich darauf parkte er neben Sarahs verbeultem, einst lila lackiertem Wagen. Auf dem Heck prangten neue Sticker. MEIN ANDERES AUTO IST EIN BESEN, ein Allzeit-Favorit, klebte neben ICH BIN HEIDE UND WÄHLE TROTZDEM. Ein dritter verkündete: WICCAN ARMY  – WIR SIND GEKOMMEN UM ZU BLEIBEN. Ich seufzte.
    Matthew stellte den Motor ab und sah mich an. »Eigentlich bin ich derjenige, der nervös sein

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