Seelen der Nacht
bevor wir losfliegen. Glaubst du, du kannst schlafen, wenn Marthe bei dir wacht?«
»Ich muss meine Sachen packen.«
»Das übernimmt Marthe. Ysabeau kann ihr helfen, wenn dir das recht ist.«
Ich nickte. Irgendwie fand ich den Gedanken, dass Ysabeau bei mir im Zimmer sein würde, eigenartig beruhigend.
Zärtlich legte Matthew mich wieder auf den Kissen ab. Dann rief er leise nach Marthe und Ysabeau und schickte die Hunde mit einer wortlosen Geste an die Tür, wo sie links und rechts Position bezogen wie die steinernen Löwen vor der New York Public Library.
Die beiden Frauen huschten leise durchs Zimmer, und ihr dezentes Geraschel und Gemurmel wiegte mich schließlich in den Schlaf. Als ich Stunden später erwachte, war meine alte Reisetasche gepackt und stand am Kamin bereit. Marthe beugte sich gerade darüber und stopfte eine Dose hinein.
»Was ist das?« Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen.
»Der Tee. Eine Tasse täglich. Nicht vergessen.«
»Nein, Marthe.« Mein Kopf sackte ins Kissen zurück. »Danke. Für alles.«
Marthe strich mir mit ihren knorrigen Händen über die Stirn. »Er liebt Sie. Das wissen Sie doch?« Sie klang noch ruppiger als sonst.
»Ich weiß, Marthe. Ich liebe ihn auch.«
Hector und Fallon hoben die Köpfe, weil sie ein Geräusch auf der Treppe bemerkt hatten, das zu leise war, als dass ich es hätte hören können. Matthews dunkle Silhouette erschien. Er kam ans Sofa, musterte mich prüfend und nickte zufrieden, nachdem er meinen Puls gefühlt hatte. Dann hob er mich aus den Kissen, als wäre ich federleicht, und trug mich die Treppe hinab, wobei ich dank des Morphins nur ein unangenehmes Ziehen im Rücken spürte. Hector und Fallon bildeten die Nachhut unserer kleinen Prozession.
Sein Arbeitszimmer war dunkel bis auf das Kaminfeuer, das die
Bücher und Objekte mit tanzenden Schatten überzog. Sein Blick zuckte kurz zu dem kleinen Holzturm, als wollte er still von Lucas und Blanca Abschied nehmen.
»Wir kommen zurück, sobald wir können«, versprach ich.
Matthew lächelte, aber seine Augen blieben ernst.
Baldwin wartete in der Halle auf uns. Hector und Fallon strichen um Matthews Beine, als wollten sie alle anderen auf Abstand halten. Er schickte sie weg, damit sich Ysabeau zu uns gesellen konnte.
Sie legte ihre kalten Hände auf meine Schultern. »Sei tapfer, meine Tochter, aber hör auf Matthew«, riet sie mir und küsste mich dann auf beide Wangen.
»Es tut mir leid, dass ich so viel Ärger über euer Haus gebracht habe.«
»Hein , dieses Haus hat Schlimmeres erlebt«, erwiderte sie und wandte sich dann Baldwin zu.
»Lass es mich wissen, falls du etwas brauchst, Ysabeau.« Baldwin strich mit den Lippen über ihre Wange.
»Natürlich, Baldwin. Fliegt vorsichtig«, murmelte sie, während er schon auf dem Weg nach draußen war.
»In Vaters Arbeitszimmer liegen sieben Briefe«, erklärte ihr Matthew schnell und fast flüsternd, nachdem sein Bruder gegangen war. »Alain wird sie holen kommen. Er weiß, was zu tun ist.« Ysabeau nickte, und in ihren Augen glänzte es feucht. »So fängt es also wieder an«, flüsterte sie. »Dein Vater wäre stolz auf dich, Matthew.« Sie legte eine Hand auf seinen Arm und hob seine Taschen auf.
Wir zogen in einem Aufmarsch von Vampiren, Hunden und einer Hexe über den Rasen des Châteaus. Sobald wir auftauchten, begannen sich die Rotorblätter des Hubschraubers zu drehen. Matthew fasste mich an der Taille, hob mich in die Kabine und kletterte dann hinter mir hinein.
Wir hoben ab und schwebten ein paar Sekunden über den erleuchteten Mauern des Châteaus, bevor wir nach Osten abdrehten, wo sich die Lichter von Lyon gegen den dunklen Morgenhimmel abzeichneten.
32
A uf dem Weg zum Flughafen hielt ich die Augen fest geschlossen. Bis ich wieder in einem Hubschrauber fliegen konnte, ohne an Satu zu denken, würde noch viel Zeit vergehen.
Das Umsteigen in Lyon lief rasend schnell und hoch effizient ab. Ganz eindeutig hatte Matthew von Sept-Tours aus alles arrangiert und die Behörden informiert, dass das Flugzeug für einen Patiententransport gebraucht wurde. Kaum hatte er seinen Ausweis gezückt und das Flughafenpersonal einen Blick auf mein Gesicht geworfen, da wurde ich schon in einen Rollstuhl verfrachtet und zum Flugzeug geschoben, während uns ein Grenzpolizist hinterherlief und meinen Pass stempelte. Weil Baldwin uns voranmarschierte, wichen alle instinktiv aus.
Der Jet der de Clermonts war ausgestattet wie eine Luxusjacht. Es
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