Seelen der Nacht
zurückholen konnte, sobald ich ins angenehme Dunkel abrutschen wollte.
Schließlich sagte Miriam das Zauberwort: »Stabil.« Ich durfte mich in die Schwärze sinken lassen, die am Rande meines Bewusstseins gewartet hatte. Sarah und Em gaben mir je einen Kuss und gingen, Miriam folgte ihnen, und dann waren endlich nur noch Matthew und die lang ersehnte Ruhe um mich.
Doch sobald es still geworden war, begannen meine Gedanken um Juliette zu kreisen.
»Ich habe sie umgebracht.« Mein Herz raste.
»Du hattest keine andere Wahl.« Sein Tonfall machte klar, dass es hier nichts zu diskutieren gab. »Es war Notwehr.«
»Nein, war es nicht. Das Hexenfeuer …« Erst als Matthew in Gefahr geschwebt hatte, waren Pfeil und Bogen in meinen Händen aufgetaucht.
Er brachte mich mit einem Kuss zum Schweigen. »Darüber können wir morgen sprechen.«
Etwas anderes konnte hingegen nicht warten, etwas, das er sofort wissen sollte.
»Ich liebe dich, Matthew.«
»Ich liebe dich auch.« Er beugte sich vor, bis seine Lippen mein Ohr berührten. »Erinnerst du dich an unser Essen in Oxford? Damals wolltest du wissen, wie du schmecken würdest.«
Ich nickte behutsam.
»Du schmeckst nach Honig«, murmelte er. »Honig – und Hoffnung.«
Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, und dann schlief ich ein.
Allerdings war es kein erholsamer Schlaf. Ich pendelte zwischen Wachen und Schlafen, La Pierre und Madison, Leben und Tod. Die alte Geisterfrau hatte mich gewarnt, dass es gefährlich sei, an einer Kreuzung stehenzubleiben. Mehrere Male schien der Tod geduldig an meiner Seite zu stehen und nur darauf zu warten, dass ich endlich entschied, welchen Weg ich einschlagen wollte.
In dieser Nacht reiste ich zahllose Meilen, floh ich von einem Ort zum anderen, stets bedrängt von meinen Verfolgern, wer sie auch waren – Gerbert, Satu, Juliette, Peter Knox. Immer wenn mich meine Reise ins Haus der Bishops zurückführte, wartete Matthew auf mich. Manchmal war Sarah bei ihm. Bei anderen Gelegenheiten Marcus. Meist jedoch war Matthew allein.
Tief in der Nacht begann jemand die Melodie zu summen, zu der wir vor ewigen Zeiten in Ysabeaus elegantem Salon getanzt hatten. Es war weder Marcus noch Matthew – die beiden unterhielten sich gerade, doch ich war zu müde, um nachzuforschen, woher die Musik kam.
»Wo hat sie das Lied gelernt?«, fragte Marcus.
»Zu Hause. Bei Gott, selbst im Schlaf versucht sie tapfer zu sein.« Matthew klang erschüttert. »Baldwin hat recht – ich bin wirklich kein guter Stratege. Ich hätte das vorhersehen müssen.«
»Gerbert hat darauf gezählt, dass du Juliette vergessen würdest. Es ist so lange her. Und er wusste, dass Diana in deiner Nähe sein würde, wenn sie zuschlug.«
»Ja, er wusste, dass ich in meiner Arroganz annehmen würde, in meiner Nähe wäre sie sicher.«
»Du hast sie zu beschützen versucht. Aber das kannst du nicht – niemand hätte das gekonnt. Sie ist nicht die Einzige, die aufhören muss, ständig ihre Tapferkeit zu beweisen.«
Es gab noch etwas, das Marcus nicht wusste und das Matthew vergaß. Fetzen eines halb vergessenen Gesprächs drangen in mein Bewusstsein vor. Die Musik verstummte, damit ich sprechen konnte.
»Ich habe es dir schon einmal gesagt.« Ich tastete im Dunkeln nach Matthew, aber ich bekam nur eine Handvoll weicher Wolle zu fassen,
die einen herben Nelkenduft verströmte, als ich meine Finger hineinbohrte. »Ich kann tapfer genug für uns beide sein.«
»Diana«, drängte Matthew, »mach die Augen auf, und sieh mich an.«
Sein Gesicht schwebte dicht über meinem. Seine eine Hand hielt meinen Kopf, die andere lag kühl auf meinem Rücken, genau dort, wo sich ein Sichelmond von einer Seite zur anderen erstreckte.
»Da bist du ja«, murmelte ich. »Ich fürchte, wir haben uns verirrt.«
»Nein, mein Liebling, das haben wir nicht. Wir sind im Haus deiner Tante. Und du brauchst nicht mehr tapfer zu sein. Jetzt bin ich an der Reihe.«
»Und du weißt auch, welchen Weg wir nehmen müssen?« »Ich werde den richtigen Weg finden. Ruh dich aus, und überlass alles Weitere mir.« Matthews Augen waren unglaublich grün.
Ich driftete wieder ab und rannte los, um Gerbert und Juliette zu entkommen, die mir dicht auf den Fersen waren. Kurz vor der Morgendämmerung schlief ich fest ein, und als ich wieder aufwachte, war es bereits heller Tag. Ich sah kurz nach und stellte fest, dass ich nackt und fest eingepackt unter mehreren Decken lag wie ein
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