Seelen der Nacht
empfand, aber in seiner Stimme lag ein leises Lachen.
»Wir haben bewiesen, dass wir nicht so leicht zu schlagen sind.«
»Leicht? Du wärst um ein Haar gestorben.« Er setzte sich neben mich auf die Polster.
»Du auch.«
»Du hast deine Magie eingesetzt, um mich zu retten. Ich konnte es riechen – Frauenmantel und Amber.«
»Das war nichts weiter.« Er sollte nicht wissen, was ich im Tausch für sein Leben versprochen hatte.
»Keine Lügen mehr.« Matthew hob mit den Fingerspitzen mein Kinn an. »Wenn du es mir nicht erzählen willst, dann sage das. Du darfst deine Geheimnisse wahren. Aber keine Lügen.«
»Falls ich tatsächlich Geheimnisse habe, bin ich damit nicht die Einzige in dieser Familie. Erzähl mir von Juliette Durand.«
Er ließ mein Kinn los und trat unruhig ans Fenster. »Du weißt, dass Gerbert uns miteinander bekannt gemacht hat. Er entführte sie aus einem Kairoer Bordell, brachte sie unzählige Male an den Rand des Todes, bevor er sie schließlich zur Vampirin machte, und formte sie danach zu einem Wesen, dem ich kaum widerstehen konnte. Ich weiß bis heute nicht, ob sie schon wahnsinnig war, als Gerbert sie fand, oder ob sie erst zerbrach, nachdem sie in seine Klauen geriet.«
»Warum?« Ich hörte selbst, wie ungläubig ich klang.
»Sie sollte sich in mein Herz schleichen und damit ins Herz meiner Familie. Schon immer hatte Gerbert zum Orden der Lazarusritter gehören wollen, doch mein Vater hatte ihn stets abgewiesen. Nachdem Juliette erst die geheimen Verbindungen der Bruderschaft ausgeforscht und andere wichtige Erkenntnisse über die de Clermonts gewonnen hatte, trainierte Gerbert sie darauf, mich und meine Geliebte umzubringen.« Matthew zupfte an dem Lack, der vom Fensterrahmen abblätterte. »Als ich sie kennenlernte, konnte sie ihren Wahnsinn noch besser verbergen. Ich brauchte lange, bis ich die Anzeichen erkannte. Baldwin und Ysabeau haben ihr nie vertraut, und Marcus hat sie schon immer verabscheut. Aber ich – Gerard hatte sie gut ausgebildet. Sie erinnerte mich an Louisa, und ihre emotionale Zerbrechlichkeit schien ihr wirres Verhalten zu erklären.«
Er hatte schon immer einen Hang zu zerbrechlichen Dingen, hatte Ysabeau mich gewarnt. Matthew hatte sich nicht nur sexuell zu Juliette hingezogen gefühlt. Er hatte wesentlich mehr für sie empfunden.
»Du hast sie wirklich geliebt.« Ich musste an Juliettes verstörenden Kuss denken, und mich schauderte.
»Früher mal. Vor langer Zeit. Und aus den völlig falschen Gründen«,
fuhr Matthew fort. »Ich habe sie beobachtet – aus sicherer Entfernung – und dafür gesorgt, dass sich jemand um sie kümmert, nachdem sie nicht in der Lage war, für sich selbst zu sorgen. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, verschwand sie plötzlich, und ich nahm an, dass sie umgekommen wäre. Nie hätte ich gedacht, dass sie lebt.«
»Und während du sie damals im Auge behalten hast, hat sie jetzt dich im Auge behalten.«
»Hätte ich das geahnt, ich hätte nicht zugelassen, dass sie dir so nahe kommt.« Er starrte in das bleiche Morgenlicht hinaus. »Aber es gibt noch etwas, das wir bereden müssen. Du musst mir versprechen, nie wieder Magie einzusetzen, um mich zu beschützen. Ich möchte nicht länger leben, als mir bestimmt ist. Leben und Tod sind mächtige Kräfte. Ysabeau hat schon einmal meinetwegen damit gespielt. Du wirst das nicht wieder tun. Und du wirst Miriam – oder sonst jemanden – nie wieder bitten, dich zum Vampir zu machen.« Seine Stimme war eisig, und er kehrte mit langen, schnellen Schritten an meine Seite zurück. »Niemand – nicht einmal ich selbst – darf dich in etwas verwandeln, das du nicht bist.«
»Dann musst du mir aber auch etwas versprechen.«
Seine Augen zogen sich zu misstrauischen Schlitzen zusammen. »Und was?«
»Bitte mich nie wieder, dich allein zu lassen, wenn du in Gefahr bist«, beschwor ich ihn. »Denn das werde ich auf keinen Fall tun.«
Matthew überschlug, wie viel es ihn kosten würde, dieses Versprechen zu halten und gleichzeitig meine Sicherheit zu garantieren, während ich damit beschäftigt war, mir zu überlegen, wie viele meiner noch kaum begreiflichen Kräfte ich endlich in den Griff bekommen musste, damit ich ihn beschützen konnte, ohne ihn dabei in Brand zu setzen oder mich selbst zu ertränken. Wir sahen einander lange argwöhnisch an. Schließlich legte ich eine Hand an seine Wange.
»Geh mit Marcus jagen. Ein paar Stunden halten wir hier auch ohne
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