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Seelen der Nacht

Seelen der Nacht

Titel: Seelen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Harkness
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stand auf. »Ich fahre den Range Rover an die Tür.«
    »Das ist Wahnsinn, Matthew. Dafür ist es noch zu früh.« In der Hoffnung auf Unterstützung sah Marcus auf Sarah.
    »Lass sie«, sagte Sarah. »Diana soll sich nur etwas Wärmeres anziehen. Draußen ist es frisch.«
    Em tauchte in der Tür auf und sah uns verdutzt an. »Erwarten wir Besuch? Das Haus ist offenbar der Ansicht.«
    »Du machst Witze!«, sagte ich. »Seit dem letzten Familientreffen hat das Haus kein neues Zimmer mehr angebaut. Wo ist es?«
    »Zwischen dem Bad und der Kammer.« Em deutete an die Decke. Ich habe dir doch gesagt, dass es hier nicht nur um dich und Matthew geht, sagte sie lautlos zu mir, während wir nach oben stapften, um den Umbau in Augenschein zu nehmen. Meine Vorahnungen täuschen mich nur selten.
    Das frisch entstandene Zimmer war möbliert mit einem alten Messingbett, auf dessen Pfosten jeweils eine riesige polierte Kugel thronte, zerschlissenen roten Gingham-Vorhängen, die, wie Em behauptete, jeden
Moment herunterfallen konnten, dazu einem Häkelteppich mit sich beißenden Dunkelbraun- und Lilaschattierungen sowie einem angeschlagenen Waschtisch mit gesprungener rosa Waschschüssel und einem Krug. Keinem von uns war auch nur ein einziger Gegenstand im Raum vertraut.
    »Woher kommt das alles?«, fragte Miriam verwundert.
    »Niemand weiß, wo das Haus das ganze Zeug aufbewahrt.« Sarah setzte sich auf das Bett und hüpfte energisch auf und ab. Die Federn beschwerten sich mit einem wütenden Quietschen.
    »Die legendärsten Glanzstücke vollbrachte das Haus an meinem dreizehnten Geburtstag«, erinnerte ich mich grinsend. »Damals überraschte es uns mit rekordverdächtigen vier Schlafzimmern auf einmal, mitsamt einem viktorianischen Salon.«
    »Und dazu ein Geschirrservice von Blue Willow für vierundzwanzig Personen«, entsann sich Em. »Ein paar Teetassen haben wir noch, aber die meisten Teile verschwanden gleich wieder, nachdem die Verwandten abgereist waren.«
    Nachdem alle das neue Zimmer und den inzwischen beträchtlich verkleinerten Lagerraum nebenan begutachtet hatten, zog ich mich um und arbeitete mich dann langsam die Treppe hinunter und bis zum Range Rover vor. Als wir uns der Stelle näherten, an der Juliette gestorben war, hielt Matthew den Wagen an. Sofort versanken die schweren Reifen im weichen Boden.
    »Sollen wir von hier aus zu Fuß gehen?«, schlug er vor.
    Heute Morgen war er irgendwie anders. Weder umsorgte er mich, noch befahl er mir, was ich zu tun hatte.
    »Was hat sich verändert?«, fragte ich, als wir uns der uralten Eiche näherten.
    »Ich habe dich kämpfen sehen«, antwortete er ruhig. »Auf dem Schlachtfeld brechen selbst die tapfersten Männer unter ihrer Angst zusammen. Sie können schlicht nicht mehr kämpfen, nicht einmal mehr, um sich selbst zu retten.«
    »Aber ich bin doch vor Angst erstarrt.« Mein Haar wehte nach vorn, um mein Gesicht zu verbergen.

    Matthew blieb stehen und schloss die Finger um meinen Arm, damit ich ebenfalls stehenblieb. »Natürlich. Schließlich musstest du jemanden töten. Aber du selbst hast keine Angst vor dem Tod.«
    »Nein.« Seit ich sieben war, hatte ich mit dem Tod gelebt  – und ihn manchmal sogar herbeigesehnt.
    Er drehte mich zu sich um. »In La Pierre bliebst du als gebrochenes, tief verunsichertes Wesen zurück. Dein ganzes Leben lang hattest du dich vor deinen Ängsten versteckt. Ich war nicht sicher, ob du je in der Lage sein würdest zu kämpfen, wenn du es müsstest. In Zukunft muss ich nur noch aufpassen, dass du kein unnötiges Risiko eingehst.« Sein Blick wanderte über meinen Hals.
    Matthew ging weiter und zog mich sanft hinter sich her. Ein verkohlter Grasfleck zeigte mir an, dass wir an der Lichtung angekommen waren. Ich erstarrte, und er ließ meinen Arm los.
    Eine Brandspur führte zu dem toten Fleck, wo Juliette gestürzt war. Im Wald war es gespenstisch still, kein Vogel zwitscherte, auch sonst war kein Laut zu hören. Ich hob ein verkohltes Holzstück vom Boden auf. Es zerbröselte in meinen Fingern.
    »Ich kannte Juliette nicht, aber in diesem Moment habe ich sie so sehr gehasst, dass ich sie töten konnte.« Ihre braungrünen Augen würden mich ewig verfolgen, sobald ich im Schatten eines Baumes stand.
    Ich überblickte die Flugbahn des von mir heraufbeschworenen Feuers zurück zu der Stelle, an der die Jungfrau und das alte Weib sich bereiterklärt hatten, mir zu helfen, damit ich Matthew retten konnte. Ich sah hoch in die Baumkrone

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