Seelen der Nacht
Richtung.
Matthew führte mich an eine winzige Nische in der Mauer. Unter einem knallgelben Schild mit der Aufschrift ABSOLUTES PARKVER-BOT stand ein flacher schwarzer Jaguar. Am Rückspiegel des Wagens baumelte eine Parkerlaubnis des John Radcliffe Hospitals.
»Ich verstehe«, sagte ich und stemmte die Hände in die Hüften. »Du meinst, du darfst überall parken.«
»Normalerweise bin ich ein mustergültiger Bürger, was das Parken angeht, aber bei diesem Wetter fand ich eine Ausnahme vertretbar«, versuchte Matthew sich zu verteidigen. Er schob einen langen Arm an mir vorbei und schloss die Tür auf. Der Jaguar war ein älteres Modell ohne die neuesten technischen Errungenschaften wie Funkzentralverriegelung oder Navigationssystem, aber er sah aus, wie gerade erst aus dem Verkaufsraum gerollt. Matthew zog die Tür auf, ich stieg ein, und die karamellfarbenen Lederpolster schmiegten sich an meinen Körper.
Ich hatte noch nie in einem so luxuriösen Auto gesessen. Sarah hätte ihre schlimmsten Vermutungen bestätigt gesehen, wenn sie gewusst hätte, dass Vampire Jaguar fuhren, während sie selbst in einem schrottreifen Honda Civic herumkutschieren musste, dessen lila Lackierung zum Braun einer gegrillten Aubergine oxidiert war.
Clairmont ließ den Wagen zum Tor des Christ Church Colleges rollen und wartete dort auf eine Lücke im morgendlichen Stoßverkehr, der hauptsächlich aus Lieferwagen, Bussen und Fahrrädern bestand. »Wie wäre es mit einem Frühstück, bevor ich dich heimbringe?«, fragte er beiläufig und fasste das polierte Lenkrad fester. »Nach all dem Sport bist du bestimmt hungrig.«
Es war schon das zweite Mal, dass Clairmont mit mir essen gehen wollte. Standen Vampire auf so etwas? Schauten sie gern anderen beim Essen zu?
Die gedankliche Verbindung zwischen Vampiren und Essen führte unwillkürlich zu Überlegungen über die Ernährungsgewohnheiten des Vampirs. Jeder auf dem Planeten wusste, dass sich Vampire von menschlichem Blut ernährten. Aber ernährten sie sich ausschließlich davon? Plötzlich war ich nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee war, mit einem Vampir im Auto herumzufahren. Ich zog den Reißverschluss meiner Fleecejacke bis zum Kragen hoch und rutschte unauffällig an die Tür.
»Diana?«, hakte er nach.
»Ich könnte etwas zu essen vertragen«, gab ich zögernd zu, »und für einen Tee würde ich töten.«
Er nickte, den Blick wieder auf den Verkehr gerichtet. »Dann weiß ich genau, wo wir jetzt hinmüssen.«
Clairmont fuhr den Hügel hinauf und bog an der High Street rechts ab. Wir passierten die Statue der Gemahlin von George II., die unter dem Kuppeldach vor dem Queen’s College stand, und steuerten von dort aus auf den botanischen Garten zu. In der gedämpften Stille des Jaguars wirkte Oxford noch unwirklicher als sonst, und die Kirch- und Universitätstürme tauchten lautlos und unvermittelt aus dem Nebel auf und verschwanden wieder.
Wir unterhielten uns nicht, und seine absolute Reglosigkeit machte mir umso bewusster, wie oft ich mich bewegte, blinzelte, Luft holte oder mich zurechtsetzte. Clairmont nicht. Er blinzelte nie, er holte kaum jemals Luft, und jede Drehung des Lenkrades, jeder Druck auf das Pedal wurde so knapp und effizient wie nur möglich ausgeführt, beinahe als würde er mit seiner Energie haushalten müssen, um so lange zu leben. Wieder fragte ich mich, wie alt Matthew Clairmont wohl sein mochte.
Der Vampir bog in eine Nebenstraße und bremste vor einem proppenvollen, winzigen Café, in dem die Einheimischen vor vollbeladenen Tellern saßen. Einige lasen dabei Zeitung; andere plauderten mit den Nachbarn am Nebentisch. Alle, bemerkte ich erfreut, tranken riesige Becher Tee.
»Diesen Laden kannte ich noch nicht«, sagte ich.
»Er ist ein gut gehütetes Geheimnis«, antwortete er grinsend. »Sie wollen sich die Atmosphäre nicht von zu vielen Universitätsangestellten vermiesen lassen.«
Automatisch drehte ich mich um und wollte die Autotür öffnen, doch bevor ich den Griff zu fassen bekam, war Clairmont schon da und hatte sie aufgezogen.
»Wie hast du das so schnell geschafft?«, grummelte ich.
»Zauberei«, erwiderte er schmallippig. Offenbar mochte Clairmont es nicht, wenn sich eine Frau selbst die Autotür öffnete, so wie er es
dem Hörensagen nach auch nicht mochte, wenn eine Frau ihm widersprach.
»Ich kann die Tür auch selbst aufmachen«, sagte ich im Aussteigen.
»Warum finden es die Frauen von heute so wichtig, die Türen
Weitere Kostenlose Bücher