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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Vergessen Sie nicht, dass sie außer Ihnen niemanden mehr hat.«
    »Das ist mir klar.«
    Nanna atmete so laut, dass es klang, als würde sie seufzen.
    »Auch wenn ich Ihre Entscheidung nicht gutheiße, werde ich Rún weiterbehandeln«, sagte sie dann und legte den Kopf schief. »Ist Ihnen klar, dass das eine ungewöhnliche Forderung ist? Eltern mischen sich normalerweise nicht auf diese Weise in die Therapie ein. Ich kann mich jedenfalls an keinen solchen Fall erinnern.«
    »Dazu kann ich nichts sagen«, murmelte Óðinn. Das war ihm alles völlig gleichgültig – er musste an Rún denken. Und an sich selbst.
    »Nein, natürlich nicht.« Nanna fuhr sich nachdenklich mit der Zunge über die Lippen. »Aber sei’s drum. Ich kann mit Rún über ihr Leben sprechen, über die Beziehung zu Ihnen und hoffentlich über die zu ihrer Großmutter. Kindern tut es normalerweise gut, Kontakt zu ihren Großeltern zu haben, aber es macht einen natürlich nicht automatisch zu einem besseren Menschen, Großmutter oder Großvater zu sein. Es ist durchaus möglich, dass ihre Großmutter keine gute Gesellschaft für Rún ist. Wenn sie nicht mit ihr alleine sein soll, müssen sich die beiden eben unter Aufsicht treffen.« Sie schaute Óðinn an und hoffte auf eine Reaktion. »Was sagen Sie dazu? Gibt es einen Grund zu der Annahme, dass die Frau einen schlechten Einfluss auf Rún hat? Wie ist sie?«
    »Ich weiß es einfach nicht. Wir stehen uns nicht besonders nah.«
    Als sie sich von Nanna verabschiedeten, blickte Rún auf ihre Zehen und murmelte einen Gruß. Schweigend fuhren sie durch den Schneematsch nach Hause. Óðinn überholte ein paar Autos, und ein paar Autos überholten ihn. Alle Insassen schauten starr geradeaus, nur Rún schaute zur Seite. Óðinn war sich ziemlich sicher, dass die Leute dachten, sie sei sauer auf ihn. Ein verzogenes Kind, das seinen Willen nicht durchgesetzt hatte.
    Vor ihrem Wohnblock war etwas passiert, und Óðinn tippte Rún auf die Schulter.
    »Sieh mal, Blaulicht, bei uns vor der Tür.«
    Rún drehte den Kopf und lehnte sich vor.
    »Ein Krankenwagen.«
    Óðinn wollte nicht direkt auf den Parkplatz fahren und verlangsamte das Tempo. Er überlegte, ob er umdrehen und so tun sollte, als hätte er vergessen, beim Supermarkt vorbeizufahren oder Rún zum Eisessen einzuladen. Als sie das letzte Mal einen Krankenwagen von nahem gesehen hatte, war er mit der Leiche ihrer Mutter weggefahren. Aber es war zu spät, und Rún hätte ein solches Schauspiel sofort durchschaut. Óðinn fuhr langsam auf den Parkplatz und stieg aus, wobei die blinkenden Lichter unangenehm dicht bei ihnen waren. Die Türen des Krankenwagens wurden laut zugeknallt, und zwei Männer stiegen aus.
    »Guten Abend«, sagte Óðinn. »Was ist denn passiert?« Als er merkte, dass der Fahrer ihm ein paar Standardfragen stellen wollte, fügte er hinzu: »Es gibt nur drei Bewohner im Haus. Wir beide und eine ältere Dame. Ist ihr etwas zugestoßen?«
    Der Mann warf Rún einen Blick zu und nickte ernst. Dann stiegen sie wieder in den Wagen, das Blaulicht ging aus, und sie fuhren weg. Rún schaute zu ihrem Vater.
    »Warum hat er das Blaulicht ausgemacht?«, fragte sie.
    »Vielleicht ist es kaputtgegangen«, antwortete Óðinn und drückte ihre kleine Hand.
    Jetzt waren sie ganz alleine im Haus. Er und Rún. Rún und er. Die alte Frau hatte recht gehabt. Sie war todgeweiht gewesen. Und das bedeutete auch für ihn nichts Gutes.
    Óðinn wollte nicht ins Haus. Er schaute zu Rún hinunter, und sie drehte ihr Gesicht zu ihm. In dem gelblichen Licht war deutlich zu erkennen, dass sie ihrem Großvater Einar ähnlich sah. Er beugte sich zu ihr und küsste sie sanft auf den Kopf.
    »Sag mir eins, Rún.«
    Argwöhnisch runzelte sie die Stirn.
    »Was denn?«
    »Ich weiß, dass du darüber nicht reden willst, aber es ist sehr, sehr wichtig. Und ich verspreche dir, anschließend auch nie wieder davon anzufangen. Nie wieder.«
    Er küsste sie noch einmal auf den Kopf und roch den flüchtigen Geruch ihres Shampoos, das er nicht benutzen durfte. Was er durchaus verstand – es roch einfach zu gut, um es an ihn zu verschwenden.
    »Warum willst du nicht mit Oma reden? Ist sie böse zu dir? Tut sie dir weh oder macht sie sonst etwas, das du nicht willst?«
    Rún schüttelte den Kopf.
    »Nein, versprichst du mir, nie mehr darüber zu reden?«, sagte sie.
    »Ja.« Óðinn reckte drei Finger in die Höhe. »Ich schwöre.«
    »Sie stellt mir immer Fragen. Dabei hält sie

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