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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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großziehen würden, glücklich bis an ihr Lebensende.
    Einar hatte alles versucht, um seinen Anteil an dem, was Eyjalín und er gemacht hatten, zu beschönigen und durchblicken lassen, dass sie die gesamte Verantwortung dafür trage. Doch sein Blick war unstet, und Aldís war plötzlich reif genug, ihn zu durchschauen. Niemand ließ sich zu dem überreden, was Eyjalín und er gemacht hatten.
    Aldís schluchzte bitterlich und drehte sich auf den Rücken. Ihre Brüste spannten jetzt stark, weil sie so lange zusammengekauert dagelegen hatte. Sie musste an Eyjalín denken, ob sie dieselben Qualen durchgemacht hatte, nachdem Einar sie geschwängert hatte. Bestimmt, wenn auch aus anderen Gründen. Aldís litt darunter, dass sie nicht wusste, wohin ihr Leben steuerte, nur wusste, dass die Aussichten schwarz waren. Eyjalín litt unter der Herrschsucht ihres Vaters, der immer gegen ihre Beziehung zu Einar gewesen war und schon gar nicht wollte, dass sie ein Kind mit ihm bekam. Wie Pappteller und Silberlöffel. Aldís war ohne Vater aufgewachsen und konnte sich nicht richtig in Eyjalíns Lage versetzen, aber sie war davon überzeugt, dass sie niemals dieselben Maßnahmen ergriffen hätte wie Einar und Eyjalín, um die Schwangerschaft zu vertuschen.
    Einar hatte ihr mit entrücktem Gesicht detailliert von ihren Handlungen erzählt, als sei er nur Zuschauer gewesen. Aldís schloss die Augen und umfasste ihren Bauch, als sie an den metallenen Kleiderbügel und Einars Erklärungen dachte, dass man das auf der ganzen Welt häufig so mache. Auf der Bank hatte Aldís instinktiv die Beine übereinandergeschlagen, als rechne sie damit, dass er ein solches Werkzeug hervorholte und ihr vorschlug, es mal zu probieren.
    Einar hatte es bemerkt und war verstummt, bis sie ihn gebeten hatte weiterzusprechen. Obwohl sie die Geschichte gar nicht zu Ende hören wollte. Aldís rieb sich die Augen. Warum bemitleidete sie sich? Im Vergleich zu Eyjalín hatte sie keinen Grund zur Klage. Der Eingriff war sowohl geglückt als auch misslungen: Sie schafften es, den Embryo wegzumachen, doch ihre ungeschickte Vorgehensweise führte dazu, dass Eyjalín nicht aufhörte zu bluten. Sie hatte ihren Zustand vor ihren Eltern versteckt und sagte auch nichts, als sie nach dem Eingriff immer schlapper wurde. Ihre Eltern merkten es erst, als sie zwei Tage später wegen hohen Blutverlusts in Ohnmacht fiel, und konnten ihr nur knapp das Leben retten. Zu allem Überfluss bekam Eyjalín eine Entzündung und erfuhr nach einem langen Krankenhausaufenthalt, dass sie nie mehr Kinder kriegen könne.
    Der Blutverlust hatte laut Einar einen Hirnschaden verursacht, sie sei nach der Krankheit nicht mehr dieselbe gewesen. Aldís hatte ihn darauf hinweisen wollen, dass das keine Krankheit gewesen sei, ließ es aber bleiben. Es war zwecklos, ihm die Augen öffnen zu wollen.
    Einars Geschichte erklärte so vieles. Eyjalíns Vater hatte veranlasst, dass Einar nach Krókur anstatt ins Gefängnis geschickt wurde, obwohl er alt genug dafür gewesen wäre. Auf diese Weise war die Sache totgeschwiegen worden, Einar wurde bestraft, und Eyjalíns Ruf war gerettet. Es gab kein Verfahren, über das die Leute hergezogen wären, und ein paar nette Menschen, die ihrem Vater einen Gefallen schuldig waren, ließen die Krankenberichte verschwinden. Einars Mutter musste ihrem Sohn klarmachen, dass das die beste Lösung sei. Abtreibungen waren natürlich verboten, es sei denn, das Leben der Mutter war in Gefahr oder der Fötus geschädigt, so dass er keine guten Aussichten gehabt hätte, wenn der Fall den richtigen Weg genommen hätte. Zumal die beiden den Eingriff in einem Schuppen für Trockenfisch vorgenommen und den Fötus anschließend ins Meer geworfen hatten.
    Wenn sie das nicht getan hätten, wäre Einar nie nach Krókur gekommen und Aldís hätte bereits ihre Mutter angerufen und würde sich jetzt überlegen, wohin sie als Nächstes gehen wollte – nach Reykjavík, um ihren Traum, Stewardess zu werden, zu verfolgen, oder zurück in ihre Heimat nach Nordisland. Nun waren ihr alle Wege versperrt, und sie wäre am liebsten tot gewesen. Vielleicht wartete der Vogel im Jenseits auf sie, dick und glücklich im ewigen Licht. Doch es wäre so furchtbar ungerecht, ihr eigenes Leben zu beenden wegen etwas, das Einar und Eyjalín getan hatten. Stets wurde jemand bestraft, wenn ein Verbrechen begangen worden war, nur nicht immer der Schuldige.
    Während Aldís auf dem Bett lag und über ihr Schicksal

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