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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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kennengelernt hatte. Er interessierte sich dafür, was sie sagte, und schien sie wirklich ernst zu nehmen. Normalerweise hatte sie das Gefühl, dass sich die Leute nur mit ihr unterhielten, um Zuhörer für ihre eigenen Geschichten zu haben.
    »Ich will schon. Es wundert mich nur, dass jemand zuhören will. Veigar und Lilja haben mich noch nicht mal ausreden lassen und sofort angefangen, mich runterzumachen.«
    Die beiden wurden immer jähzorniger, und Aldís konnte sich schon gar nicht mehr erinnern, wie sie am Anfang gewesen waren. Zwar nicht besonders überschwänglich oder herzlich, aber immerhin meistens gerecht. Jetzt waren sie nur noch verstockt. Aldís hatte festgestellt, dass sie auch zu den Jungen abweisender waren, kalt und streng. Die Geburt des Kindes und die Schwierigkeiten mit dem Heim, über die Aldís die Arbeiter hatte reden hören, hatten offenbar Spuren hinterlassen. Vielleicht befürchteten sie, das Grundstück zu verlieren, das sie vor noch nicht allzu langer Zeit gekauft hatten. Was würde dann aus den Jungen werden? Und den Arbeitern? Um sich machte sich Aldís keine Sorgen, sie würde das machen, was sie sich vorgenommen hatte.
    »Die sind doch bescheuert. Mir wird schlecht, wenn sie nur den Mund aufmachen. Entweder predigen sie christliche Nächstenliebe oder sagen Dinge, die dem total widersprechen. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Jesus Christus, den sie anbeten, so glücklich damit ist, sie als Anhänger zu haben«, sagte Einar und schaute sie an. Er schien darauf zu warten, dass sie anfing zu erzählen, und fügte hinzu: »Ich verspreche dir, dich ausreden zu lassen, wenn du es mir erzählen willst. Und ich bin nicht gläubig.«
    Jetzt, da sie endlich auf Verständnis stieß, kam ihr die Geschichte so furchtbar unbedeutend vor. Sie wurde nervös, konnte ihre Hände in ihrem Schoß nicht ruhig halten und fing wieder an, mit den Beinen zu wippen.
    »Das klingt so blöd, wenn ich es erzähle. Aber es kam mir nicht vor wie ein dummer Streich. Und Tobbi auch nicht, auch wenn er jetzt behauptet, dass er sich an nichts erinnert. Da war jemand, jemand, der ihm wahrscheinlich in den Speiseraum gefolgt ist. Jedenfalls habe ich keine Ahnung, wie Tobbi und dieser Jemand da gelandet sind und was passiert wäre, wenn ich sie nicht überrascht hätte.«
    »Du weißt also nicht, ob es ein Mann oder eine Frau war?«, fragte Einar zweifelnd.
    »Nein. Der Strom ist ausgefallen, und ich konnte nichts sehen.«
    »Aber ist es denn möglich, dass da gar keiner war? Außer Tobbi natürlich.«
    Kälte kroch über Aldís’ Rücken.
    »Da war jemand. Das weiß ich genau. Und Tobbi auch. Er war nicht alleine, als ich reinkam, das hat er mir sogar selbst gesagt. Ich glaube, er hat mit dieser Person geredet, aber ich habe sie gestört, und wer auch immer es war, ist abgehauen. Vielleicht war es einer der Jungen, das glaube ich aber nicht.«
    Sie hätte zu gerne den abartigen Blutgeruch erwähnt, der in der Dunkelheit aufgekommen war, ließ es aber bleiben, aus Angst, er würde ihr nicht glauben. Dasselbe galt für das Flüstern, das sie überhaupt nicht hatte orten können, weil sie im Dunkeln völlig die Orientierung verloren hatte. Sie knirschte unbewusst mit den Zähnen, als sie an Tobbis erbärmliches Wimmern dachte, zumal er normalerweise für sein Alter ziemlich tough war. Auch wenn Aldís sich schon oft unwohl gefühlt und Angst gehabt hatte, hatte sie noch nie etwas Vergleichbares erlebt: Sie hatte nichts gesehen und nur gewusst, dass dort in der Finsternis etwas war, das ihr etwas antun wollte. Es war so schwierig, das alles in Worte zu fassen. Die Leute wollten nichts Unangenehmes hören, was schwer zu begreifen war. Das hatte sie ja schon bei ihrer Mutter erlebt. Und wenn ihre Mutter ihr nicht geglaubt hatte, dann würden andere es wahrscheinlich auch nicht tun. Egal, wie nett und verständnisvoll Einar auch wirken mochte.
    »Du hast also niemanden gesehen?«, fragte er. Seine Stimme klang weder spöttisch noch zweifelnd. Er schien es ganz ernst zu meinen.
    »Nein, aber ich habe Schritte, Atemzüge und ein Murmeln oder Grummeln gehört, nichts Verständliches. Eigentlich eher ein Knurren.« Als es plötzlich stockdunkel geworden war, hatte sie erst gemeint, es könne ein wildes Tier sein. Auch wenn sie das jetzt albern fand, hatten die Geräusche und der Geruch so gewirkt. »Und es hat ekelhaft nach Blut gerochen.«
    Aldís beschloss, ihm alles zu erzählen, auch wenn er sie dann auslachen würde. Aber

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