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Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Seelen im Eis: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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die Plastikhülle zumachte, hatte einen Abdruck im Leder hinterlassen und den Ausweis ein bisschen eingedellt. Aldís nahm sich vor, ihn wieder genau an dieselbe Stelle zu stecken. Doch als sie oben in der rechten Ecke in roter Schrift die beiden letzten Ziffern seines Geburtsjahres sah, wurde ihr Kopf ganz leer.
    Kein Wunder, dass Einar viel reifer wirkte als die anderen Jungen. Er war älter als sie. Aldís hielt den Ausweis ins trübe Winterlicht, um zu überprüfen, ob die Jahreszahl gefälscht war – das machte man manchmal, wenn man noch nicht alt genug war, um in Diskotheken eingelassen zu werden. Aber das war nicht der Fall. Gefälschte Ausweise reichten zwar für dunkle Clubeingänge, waren aber bei Tageslicht leicht zu erkennen. Aldís ließ den Ausweis sinken. Sie war sich sicher, dass er echt war.
    Einar war fast neunzehn, drei Jahre älter, als er laut Heimvorschrift sein sollte. Nach Krókur kamen Jungen, die kleinere Delikte begangen hatten und zu jung waren, um wie erwachsene Kriminelle behandelt zu werden. Doch wer bei der Tat schon achtzehn war, kam nicht ins Heim, sondern ins Gefängnis.
    Aldís steckte den Ausweis mit zitternden Händen zurück an seinen Platz und klappte die Brieftasche zu. Dann legte sie sie vorsichtig wieder unter die Bank. Sie wollte auf keinen Fall, dass Einar mitbekam, dass sie sie in der Hand gehabt hatte. Dann wäre ihm sofort klar, dass sie reingeschaut hatte. Nein, so war es besser. Er würde irgendwann merken, dass seine Brieftasche weg war, zurückkommen und sie dort liegen sehen, ohne etwas Schlimmes zu vermuten. Aldís atmete auf. Er durfte nicht erfahren, dass sie in seiner Brieftasche herumgeschnüffelt hatte. Niemals.

12. Kapitel
    Die alte Frau konnte die Einkaufstüten kaum mehr halten, während sie mit der Haustür kämpfte, die der Wind mit aller Kraft zudrückte. Óðinn knallte die Wagentür zu, lief zu ihr, packte die schwere Tür und hielt sie auf, während die Frau ins Haus schlüpfte.
    »Was für ein Wetter!«, sagte er und rief seiner Tochter zu, sie solle sich beeilen. Rún tastete sich vorsichtig vom Auto zum Haus und hatte Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten. Kein Wunder bei den Sommerschuhen, die sie am Morgen unbedingt hatte anziehen wollen. Óðinn hatte es längst aufgegeben, sie in ihrer Kleiderwahl zu beeinflussen, und beschlossen, dass sie eben aus ihren Fehlern lernen musste. Das hoffte er zumindest, wohl wissend dass sie morgen früh vor derselben Entscheidung stünde und die Strapazen von gestern dann längst vergessen wären.
    »Wie geht es der Kleinen denn? Fühlt sie sich hier nicht einsam? In der Nachbarschaft gibt es ja gar keine Kinder. Und auch so gut wie keine Erwachsenen«, sagte die alte Dame und beobachtete Rún, die gerade einen Betonpfeiler losließ und sich die letzten Meter ins Warme kämpfte.
    »Es geht ihr gut, danke der Nachfrage.« Óðinn winkte Rún ermunternd zu. Natürlich hätte er ihr auch helfen können, aber das wäre in seinen Augen eine falsche Botschaft gewesen. Sie hatte sich diese Schuhe trotz seiner Warnung ausgesucht und konnte nun sehen, wo sie damit blieb. »Ich bin mir nicht sicher, ob es besser für sie wäre, den ganzen Tag von Kindern umgeben zu sein. Sie muss sich erst wieder fangen. Vielleicht wird das später mal ein Problem, aber dann sind hoffentlich mehr Leute in die Nachbarschaft oder ins Haus gezogen.«
    »Ja, bestimmt«, entgegnete die alte Frau wenig überzeugt. Sie schien froh zu sein, kurz Atem zu schöpfen und sich dabei mit jemandem unterhalten zu können, jedenfalls machte sie keine Anstalten weiterzugehen. Vielleicht hoffte sie auch, dass er ihr mit den Einkaufstüten half. »Sagen Sie mal, Óðinn, sind Sie zurzeit am Renovieren?«
    Óðinn wandte seinen Blick von Rún ab, die nur noch ein paar Schritte von ihnen entfernt war.
    »Ich? Nein, wie kommen Sie darauf?«
    Das offene Fenster und der Zigarettengeruch fielen ihm wieder ein, und sein Herz schlug schneller.
    »Ich habe heute Morgen so ein Stampfen im Treppenhaus und Klopfen in den Leitungen gehört, nachdem Sie und Ihre Tochter weg waren. Als ich einen Blick in den Flur geworfen habe, habe ich niemanden gesehen, und es hat auch keiner auf mein Rufen geantwortet. Ich dachte, Sie hätten vielleicht Handwerker in der Wohnung. Bisher waren immer Mitteilungen im Briefkasten, wenn der Eigentümer welche beauftragt hat. Vielleicht hat Ihr Bruder es ja diesmal vergessen.«
    Die wasserblauen Augen der Frau begegneten

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