Seelen-Transfer
langsam die Hände.
Zwei Minuten später kam Jensen aus dem Gebäude, schloß die Haupteingangstür sorgfältig hinter sich. Er hatte die beiden Bediensteten im Büro des Managers eingeschlossen, allerdings darauf verzichtet, sie zu fesseln. Das Telefon konnten sie nicht benutzen, dafür hatte er gesorgt. Vermutlich würden sie etwa fünf Minuten brauchen, um auszubrechen – fünf Minuten waren für seine Zwecke genug.
Ohne Eile stieg er in seinen Wagen, fuhr zwei Minuten damit herum, verstaute dann die Beute in einem zweiten Wagen. Dann ging er zu seiner Ein-Zimmer-Wohnung und wartete eine Weile. Über seinem Kopf schwebte der Helm des Wane-Projektors, der Einschalter war in seiner Reichweite. Seine ganze Aufmerksamkeit galt jetzt der Straße.
Die lautstarke Verbrecherhatz hatte schon begonnen, als er eine Hand ausstreckte und den Schalter umlegte.
Den Projektor schaffte er spielend in Sicherheit. Das, vor allem, war das Wichtigste. Der wertvollen Maschine mußte seine größte Aufmerksamkeit gelten, sie mußte unter allen Umständen in seinem Besitz bleiben. Nichts durfte dazu führen, daß er sie verlor, nichts durfte ihm die Verfügungsgewalt darüber streitig machen. Wenn er je die Wahl haben würde zwischen der Aufgabe der Maschine oder der Beute, dann mußte er auf letztere verzichten.
Jetzt genoß er den Spaß, den es ihm bereitete, in einer anderen – und irgendwie minderwertigeren – Maskierung durch die Straßen zu laufen. Seine Hände hatte er in den groben, selbstgeschneiderten Taschen vergraben, seine Bauernstiefel waren mit stählernen Pinnen versehen; leise pfiff er ein Liedchen vor sich hin. Es war ein komisches Gefühl – er fühlte sich zugleich zutiefst erschreckt und glücklich. Auf der einen Seite lag ihm die Welt zu Füßen – auf der anderen klang immer noch das Jaulen der toten Katze in seinem Kopf nach.
An der Ecke hatte sich eine aufgeregte Menschengruppe eingefunden, die erregt durcheinanderredete. „Ja, ja, ich erinnere mich, als … Sowas hat es hier noch nie gegeben … Hab’ ja immer gesagt, daß man die eines Tages überfallen würde … Kam ganz ruhig heraus … Kam ’rein und bediente sich, während der Kassierer fast in Ohnmacht fiel … Wenn ich dabei gewesen wäre, hätte ich ihn mit Tinte angeschwärzt.“
„Was ist denn los, Leute?“ fragte Jensen und zeigte dabei seine ländliche Freundlichkeit.
„Banküberfall“, informierte ihn ein hagerer Mann. „Wir haben ihn um ein Haar verpaßt. Es war nur ein Räuber, er ist entkommen. Ich weiß nicht, wieviel er mitgenommen hat, aber es muß allerhand sein.“
„Ah!“ Jensen studierte den anderen eingehend. Er kratzte sich am Hinterkopf, schob dabei seine Kappe nach vorn über die Augen. „Zwei Straßen weiter steht ein großer grüner Stationswagen vor der Kapelle.“
„Was ist damit?“
„Ich sah ihn vorher nahe der Bank stehen – fast eine Stunde lang. Am Steuer saß ein Mann, ein schicker, smarter Typ. Vielleicht ist ihm etwas aufgefallen, was der Polizei helfen könnte. Jemand sollte ihn suchen und ihn fragen – vielleicht weiß er noch gar nicht, daß es hier einen Überfall gegeben hat.“
„Eine gute Idee“, sagte der Hagere. Er sah zu seinen Begleitern. Sie nickten. „Kommen Sie mit?“ fragte er Jensen.
„Nein, ich muß meinen Bus erreichen. Aber der Wagen ist nicht zu übersehen. Es ist der grüne vor der Kapelle.“
Dann schlurfte er davon. Nach einer Weile schaute er zurück und stellte fest, daß alle Leute sich auf die Suche nach dem Stationswagen gemacht hatten. Der Rest war leicht zu erraten. Sie würden den Wagen finden und es der Polizei erzählen. Die Polizei würde Untersuchungen anstellen, die Spur zu seiner früheren Vermieterin aufnehmen und fragen, ob der Wagenbesitzer da sei. Sie würde der Polizei den Weg zu seinem Zimmer zeigen oder selbst mit hinaufgehen. Wie auch immer, dort war dann die Leiche des Bankräubers zu finden. Der Manager und der Kassierer würden ihn identifizieren. Dann würde eine Durchsuchung der kleinen Wohnung und des ganzen Hauses erfolgen – aber das Geld für immer verschwunden bleiben.
Grinsend stieg Jensen in seinen zweiten Wagen ein. Das Geld lag hinter ihm im Kofferraum. Der Projektor war, eingepackt in eine Kiste, auf dem Rücksitz abgelegt. Was den Wagen betraf, so stellte der keine Verbindung zu seiner früheren Identität dar, und so brauchte er sich in dieser Hinsicht keine Sorgen zu machen.
Ja, das war das perfekte Verbrechen gewesen.
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