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Seelen

Titel: Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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Ich habe sie immer weiter und weiter beobachtet, aber sie haben sich einfach immer weiter wie Menschen verhalten. Sind bei den Familien ihrer Körper geblieben, haben bei schönem Wetter gepicknickt, Blumen gepflanzt, Bilder gemalt und all das. Ich habe mich gefragt, ob ihr alle irgendwie menschlich werdet. Ob wir letzten Endes nicht doch einen gewissen Einfluss auf euch ausüben.«
    Er wartete, um mir die Möglichkeit zu geben, ihm zu antworten. Ich tat es nicht.
    »Vor ein paar Jahren habe ich was gesehen, das sich mir eingeprägt hat. Einen alten Mann und eine alte Frau - beziehungsweise die Körper eines alten Mannes und einer alten Frau. Die so lange zusammen waren, dass die Eheringe an ihren Fingern regelrecht eingewachsen waren. Sie hielten Händchen und er küsste sie auf die Wange und sie wurde rot unter all ihren Falten. Da kam mir der Gedanke, dass ihr alle genau dieselben Gefühle habt wie wir, weil ihr in Wirklichkeit wir seid und nicht nur Hände in einer Handpuppe.«
    »Ja«, flüsterte ich. »Wir haben genau dieselben Gefühle. Menschliche Gefühle. Hoffnung und Schmerz und Liebe.«
    »Wenn du also gar nicht schauspielerst … dann könnte ich schwören, dass du die beiden liebst. Du , Wanda, nicht nur Mels Körper.«
    Ich legte den Kopf auf meine Arme. Die Geste war gleichbedeutend mit einem Eingeständnis, aber das war mir egal. Ich konnte ihn einfach nicht mehr aufrecht halten.
    »So viel zu dir. Aber ich denke natürlich auch über meine Nichte nach. Wie es für sie war, wie es für mich sein würde. Wenn sie jemanden in deinen Kopf einsetzen, ist man dann einfach … weg? Ausgelöscht? Als wäre man tot? Oder ist es wie Schlafen? Ist man sich bewusst, dass jemand anders die Kontrolle übernommen hat? Ist sich derjenige deiner bewusst? Ist man da drinnen gefangen und schreit um Hilfe?«
    Ich saß unbeweglich da und versuchte einen entspannten Gesichtsausdruck beizubehalten.
    »Offensichtlich bleiben ja die Erinnerungen und Verhaltensweisen zurück. Aber das Bewusstsein … Man sollte meinen, dass nicht alle Leute einfach kampflos aufgeben. Verdammt, ich weiß, dass ich versuchen würde zu bleiben - ich war nie einer, der ein Nein als Antwort akzeptiert hätte, das kann dir jeder bestätigen. Ich bin ein Kämpfertyp. Alle von uns, die noch übrig sind, sind Kämpfertypen. Und weißt du was: Ich hätte auch Mel so eingeschätzt.«
    Er hielt den Blick immer noch zur Decke gerichtet, aber ich sah weiterhin zu Boden - starrte nach unten und studierte die Spuren im rötlich grauen Staub.
    »Über all das habe ich echt viel nachgedacht.«
    Ich konnte jetzt seinen Blick auf mir spüren, obwohl ich meinen Kopf gesenkt hielt. Ich rührte mich nicht, außer um langsam ein- und auszuatmen. Es kostete mich ziemlich viel Anstrengung, diesen langsamen Rhythmus unverändert beizubehalten. Ich musste schlucken; ich hatte immer noch Blut im Mund.
    Wie konnten wir jemals glauben, er wäre verrückt? , wunderte sich Mel. Er sieht alles. Er ist ein Genie.
    Er ist beides.
    Jetzt müssen wir es nicht mehr für uns behalten. Er weiß Bescheid. Sie war voller Hoffnung. In letzter Zeit hatte sie sich meistens sehr still verhalten, fast abwesend. Es war nicht leicht für sie, sich zu konzentrieren, wenn sie relativ glücklich war. Sie hatte ihre große Schlacht gewonnen. Sie hatte uns hierhergebracht; ihre Geheimnisse waren nicht länger in Gefahr, Jared und Jamie würden nicht von ihren Erinnerungen verraten werden. Ohne Aufgabe war es schwieriger für sie, sich zum Sprechen aufzuraffen, und sei es mit mir. Ich konnte erkennen, wie der Gedanke, sich zu offenbaren - die anderen Menschen von ihrer Existenz wissen zu lassen -, sie jetzt wieder stärkte.
    Jeb weiß Bescheid, ja. Aber macht das wirklich einen Unterschied?
    Sie dachte daran, wie die anderen Menschen Jeb sahen. Stimmt, seufzte sie. Aber ich glaube, Jamie … na ja, er weiß oder vermutet nichts, aber ich glaube, er fühlt die Wahrheit.
    Du hast wahrscheinlich Recht. Wir werden sehen, ob das letzten Endes gut ist für ihn oder uns.
    Jeb brachte es nicht fertig, länger als ein paar Sekunden zu schweigen, dann legte er wieder los und unterbrach uns. »Verdammt interessant das alles. Zwar nicht so viel Peng! Peng! wie in den Filmen, die ich mochte. Aber trotzdem verdammt interessant. Ich würde gern mehr über diese Spinnendinger erfahren. Ich bin echt neugierig … wirklich neugierig.«
    Ich atmete tief durch und hob den Kopf. »Was willst du wissen?«
    Er schenkte

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