Seelen
Minute«, sage ich mit belegter Stimme.
Er wartet schweigend. Seine Finger bleiben leicht auf meiner Haut liegen.
Ich atme ein paarmal tief durch und versuche diese neue Realität zu verarbeiten. Wanda ist in Sicherheit und ich werde sie zurückholen. Ich bin wieder ich, was ich immer wollte. Jared ist hier bei mir. Unsere Familie ist dank Wanda komplett. Ich habe alles. In meinem Kopf ist niemand außer mir.
Deshalb fühle ich mich natürlich furchtbar einsam. Ich weiß nicht, ob ich aufhören kann zu weinen. Ich wünschte, ich könnte Wanda hören, die mir sagt, dass alles in Ordnung ist. Ich habe ihr versprochen glücklich zu sein, aber ich bin nicht glücklich. Nur einsam.
»Du fehlst mir«, flüstere ich dem warmen Metall in meinen Armen zu.
In Docs Höhle ist es eine Weile ganz still. Ich kann spüren, wie die anderen unsicher hinter mir stehen.
»Was ist passiert?«, frage ich, ohne mich umzudrehen.
»Ich war rechtzeitig hier«, antwortet Jared.
Das verstehe ich nicht ganz. »Doc?«, frage ich und meine Stimme klingt angespannt.
»Ich habe ihr mein Wort gegeben ... äh, Melanie. Tut mir leid, ich ... kenne dich eigentlich gar nicht.«
Während er spricht, drehe ich mich zu ihm um. Er wird ein bisschen rot und kann mir nicht in die Augen sehen.
»Ich weiß nicht, wie gut du mich kennst«, fährt er fort. »Wel chen Anteil du an meiner Beziehung zu Wanda hattest.« Er räuspert sich. »Aber sie wusste, wie wichtig mir das - mein Wort - war. Und ich glaube zu wissen, wie wichtig es ihr war, dass ich mein Versprechen halte. Sie wollte hier sterben.«
Jetzt sieht er mir direkt in die Augen.
»Sie hat sich geirrt«, stoße ich zwischen den Zähnen hervor.
Doc erwidert meinen wütenden Blick einen Moment, dann seufzt er und zuckt die Achseln. »Wahrscheinlich bin ich sogar froh, dass Jared mich davon abgehalten hat. Ich hoffe, sie wird mir verzeihen.«
Mein Lachen klingt etwas eingerostet. »Sie ist gut darin, Leuten zu verzeihen.«
Ich sehe Jared an. »Du bist ihr gefolgt?«
Er nickt. »Ich habe gemerkt, dass sie irgendwas im Schilde führte.«
Er mustert mich zögernd und ich kann erkennen, dass er über legt, ob er mich jetzt wohl in den Arm nehmen darf.
Ich bin noch nicht ganz so weit. Ich werfe einen Blick auf das Messer und dann zurück zu ihm.
»Doc wollte nicht so wie ich«, erklärt Jared und Doc reibt sich nervös den Hals.
Ich hebe eine Augenbraue, gegen meinen Willen beeindruckt.
Jared scheint überrascht, dass ich überrascht bin.
»Ich liebe sie auch«, sagt er. »Ich hätte nie zugelassen, dass ihr etwas zustößt, während du bewusstlos warst. Egal was für einen verrückten Plan sie da ausgetüftelt hatte.«
Und es ist genau wie in dem Augenblick, als Jared in Jamies dunkles Krankenzimmer geschlichen kam und Doc betäubte und Wanda und ich wussten, dass er verstand, dass er uns glaubte, dass er der war, den wir brauchten. Er ist mein Jared und natürlich hat er Wanda gerettet, genau wie ich es an seiner Stelle getan hätte. Ich weiß, was Wanda dazu sagen würde - dazu, dass ich Zuflucht zu Gewalt nehme -, und darüber muss ich beinahe lächeln.
Jared sieht, wie dieses Gefühl in meinen Augen aufscheint und meine Gesichtszüge weicher macht. Er tritt einen kleinen Schritt vor und legt seine Arme um mich - um uns beide, da ich immer noch Wanda festhalte. Diesmal lasse ich es geschehen. Mehr als das - ich verschmelze mit ihm, trockne mein tränenverschmiertes Gesicht an seiner Schulter ab.
»Danke«, flüstere ich.
Jared küsst mich auf den Kopf.
Es ist still. Ich höre ein Feldbett knarren und nehme an, dass Kyle sich wieder hinlegt, um weiterzuschlafen. Wahrscheinlich klang er deswegen vorhin so ärgerlich. Ich habe ihn geweckt. Wer interessiert sich schon für das ganze Drama mit Doc und Jared und dieser Person, die er nicht kennt, wenn er um seinen Schlaf gebracht wird? Am liebsten würde ich über seine Ichbezogenheit lachen. Ich glaube nicht, dass ich Kyle so viel durchgehen lassen werde wie Wanda. Ich bin nicht so nachsichtig.
Das Gesicht immer noch an Jareds Schulter gepresst, frage ich mich plötzlich, was Doc von diesem Wiedersehen hält. Ich stelle mir vor, dass er unbehaglich dasteht und wegsieht. Oder viel leicht irre ich mich auch und er starrt uns an, versucht sich an den Gedanken zu gewöhnen, wer ich jetzt bin. Wanda hat sich vorgestellt, wie die Menschen auf mich reagieren würden. Sie hat damit gerechnet, dass sie mich umarmen, mich umringen, mir
Weitere Kostenlose Bücher