Seelen
von mir?
»Mach nicht so ein finsteres Gesicht«, drängte er. »Sieh es doch mal positiv. Jared war verdammt stur, was dich angeht, und dass er jetzt zeitweise aus dem Weg ist, wird die Dinge hier sicher etwas angenehmer machen.«
Ich runzelte die Stirn, während ich versuchte zu verstehen, was er meinte.
»Das hier zum Beispiel«, fuhr er fort, »nutzen wir normalerweise als Lagerraum. Wenn Jared und die Jungs zurückkommen, werden wir Platz brauchen, um das ganze Zeugs zu verstauen, das sie mitbringen. Also können wir genauso gut jetzt schon ein neues Plätzchen für dich suchen. Vielleicht eins, das ein bisschen größer ist? Und wo es ein Bett gibt?« Er lächelte wieder, als er mir den Köder vor die Nase hielt.
Ich wartete darauf, dass er ihn wieder wegzog, dass er mir sagte, er mache nur Spaß.
Stattdessen sahen mich seine Augen - die die Farbe von verwaschenen Jeans hatten - überaus sanft an. Etwas in ihrem Ausdruck schnürte mir erneut die Kehle zu.
»Du musst nicht zurück in das Loch da, Kleines. Das Schlimmste hast du überstanden.«
Ich stellte fest, dass ich seinen ernsthaften Gesichtsausdruck nicht länger anzweifeln konnte. Zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde legte ich die Hände vors Gesicht und weinte.
Er stand auf und tätschelte unbeholfen meine Schulter. Er schien sich angesichts meiner Tränen unwohl zu fühlen. »Ist ja gut«, murmelte er.
Diesmal fing ich mich schneller wieder. Als ich mir die Feuchtigkeit aus den Augen wischte und ihn schief anlächelte, nickte er wohlwollend.
»Braves Mädchen«, sagte er und tätschelte mich wieder. »Wir müssen allerdings noch hierbleiben, bis wir sicher sind, dass Jared wirklich weg ist und uns nicht erwischen kann.« Er grinste verschwörerisch. »Und dann werden wir Spaß haben!«
Mir fiel ein, dass seine Vorstellung von Spaß normalerweise solche Dinge wie bewaffnete Auseinandersetzungen umfasste.
Er schmunzelte über meinen Gesichtsausdruck. »Keine Sorge. Komm, während wir warten, kannst du genauso gut versuchen, dich ein bisschen auszuruhen. Ich wette, dass dir im Moment sogar diese dünne Matte verdammt bequem vorkommen wird.«
Ich sah von seinem Gesicht zu der Matte auf dem Boden und zurück.
»Na los«, sagte er. »Du siehst aus, als müsstest du dich mal richtig ausschlafen. Ich halte Wache.«
Gerührt und mit feuchten Augen legte ich mich auf die Matte und bettete meinen Kopf auf das Kissen. Es war himmlisch, obwohl die Matte wirklich dünn war. Ich dehnte mich mit ausgestreckten Zehen und Armen und hörte, wie meine Gelenke knackten. Dann kuschelte ich mich in die Matte. Es fühlte sich an, als umarmte sie mich und tilgte all die wunden Stellen. Ich seufzte.
»Tut gut, das zu sehen«, murmelte Jeb. »Wenn du weißt, dass jemand unter deinem Dach leidet - das fühlt sich an, wie wenn es dich juckt und du dich nicht kratzen kannst.«
Er ließ sich ein Stück von mir entfernt auf dem Boden nieder und begann leise zu summen. Bevor er den ersten Takt beendet hatte, war ich bereits eingeschlafen.
Als ich aufwachte, wusste ich, dass ich eine lange Zeit fest geschlafen hatte - länger als je zuvor, seit ich hier war. Ohne Schmerzen, ohne angsteinflößende Unterbrechungen. Ich hätte mich ziemlich gut gefühlt, wenn mich das Aufwachen auf dem Kissen nicht daran erinnert hätte, dass Jared weg war. Es roch immer noch nach ihm. Und zwar gut; nicht so, wie ich roch.
Und wieder bleiben uns nur die Träume . Melanie seufzte kläglich. Ich konnte mich nur undeutlich an meinen Traum erinnern, aber ich wusste, dass Jared darin vorgekommen war - wie immer, wenn ich tief genug schlafen konnte, um zu träumen.
»Morgen, Kleines«, sagte Jeb munter.
Ich öffnete die Augen einen Spaltbreit, um ihn anzusehen. Hatte er die ganze Nacht so gegen die Wand gelehnt dagesessen? Er sah nicht müde aus, aber ich bekam plötzlich Schuldgefühle, weil ich das bequemere Lager für mich gehabt hatte.
»Die Jungs sind inzwischen schon lange weg«, sagte er vergnügt. »Wie wär’s mit einer Führung?« Mit einer unbewussten Geste streichelte er das Gewehr, das er durch einen Gurt um seine Taille gesteckt hatte.
Ich öffnete die Augen ganz und starrte ihn ungläubig an. Eine Führung?
»Jetzt stell dich bloß nicht an. Kein Mensch wird dir etwas tun. Und du musst dich hier schließlich irgendwann selbst zurecht finden.«
Er streckte mir eine Hand entgegen, um mir aufzuhelfen.
Ich griff mechanisch danach, während mein Kopf sich drehte und ich zu
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