Seelen
schlafen musste. »Na komm, gehen wir weiter. Nicht vergessen: dritter Gang von links, siebte Tür.«
»Grüner Paravent«, fügte ich hinzu.
»Genau.«
Jeb brachte mich zurück zu dem großen Gartenraum, wo wir das Beet umrundeten und unseren Weg durch den größten Tunnelausgang fortsetzten. Als wir an den Leuten vorbeikamen, die mit Gießen beschäftigt waren, verkrampften sie sich und drehten sich um aus Angst, mir den Rücken zuzukehren.
Dieser Tunnel war gut beleuchtet. Dafür sorgten helle Spalten in zu regelmäßigen Abständen, um natürlichen Ursprungs zu sein.
»Wir nähern uns jetzt noch weiter der Oberfläche. Es wird trockener, aber auch heißer.«
Ich bemerkte es fast augenblicklich. Anstatt zu zerfließen, wurden wir plötzlich gegrillt. Die Luft war weniger stickig und verbraucht. Ich konnte den Wüstenstaub riechen.
Auch vor uns waren jetzt Stimmen zu hören. Ich versuchte mich gegen die unvermeidliche Reaktion der Leute zu wappnen. Wenn Jeb darauf bestand, mich wie einen … wie einen Menschen zu behandeln, wie einen willkommenen Gast, würde ich mich daran gewöhnen müssen. Kein Grund, mich jedes Mal elend zu fühlen. Trotzdem hatte ich einen Knoten im Bauch.
»Hier ist die Küche«, erklärte mir Jeb.
Ich dachte erst, wir befänden uns in einem weiteren Tunnel, einem, der voller Menschen war. Ich drückte mich gegen die Wand und versuchte auf Distanz zu bleiben.
Die Küche war ein langer Gang mit einer hohen Decke, sie war höher als breit, so wie mein neues Quartier. Das Licht war hell und heiß - statt schmaler Spalten in dickem Fels hatte dieser Raum riesige offene Löcher.
»Wir können tagsüber natürlich nicht kochen. Wegen dem Rauch, weißt du? Also benutzen wir das hier bis zum Einbruch der Dunkelheit hauptsächlich als Speisesaal.«
Alle Gespräche waren auf einmal verstummt, so dass Jebs Worte deutlich zu verstehen waren. Ich versuchte mich hinter ihm zu verstecken, aber er ging weiter in den Raum hinein.
Wir hatten das Frühstück unterbrochen oder vielleicht war es auch das Mittagessen.
Die Menschen - fast zwanzig, überschlug ich schnell - waren hier sehr nah. Es war nicht wie in der großen Höhle. Am liebsten hätte ich meinen Blick starr auf den Boden gerichtet, aber ich konnte nicht vermeiden, dass er immer wieder durch den Raum huschte. Nur zur Sicherheit. Ich spürte, wie mein Körper sich anspannte, um wegzulaufen, nur wohin ich laufen würde, wusste ich nicht.
An beiden Wänden des Gangs erstreckten sich langgezogene Steinhaufen. Vor allem rohes, rötliches Vulkangestein, von einer helleren Substanz - Zement? - durchzogen, die Fugen bildete und die Steine zusammenhielt. Auf diesen Haufen lagen andere Steine, die eher braun und flach waren. Sie waren ebenfalls mit dem hellgrauen Mörtel zusammengeklebt. Das Ergebnis waren relativ ebene Flächen wie Tresen oder Tische. Es war offensichtlich, dass sie als beides genutzt wurden.
Die Menschen saßen oder lehnten daran, ungläubig erstarrt, als sie Jebs Privatführung bemerkten. Ich erkannte die Brötchen in ihren Händen, die zwischen den Tischen und ihren Mündern schwebten.
Ein paar von ihnen kannte ich bereits. Sharon, Maggie und der Doktor standen mir am nächsten. Melanies Cousine und Tante starrten Jeb wütend an - ich hatte das komische Gefühl, dass sie mich noch nicht einmal ansehen würden, wenn ich mich auf den Kopf stellen und mit voller Kraft Lieder aus Melanies Erinnerung grölen würde -, aber der Doktor beäugte mich mit unverhohlener und fast freundlicher Neugier, die mich frieren ließ.
Am anderen Ende des langgestreckten Raums erkannte ich den großen Mann mit dem pechschwarzen Haar und mein Herz begann zu rasen. Ich hatte gedacht, Jared würde die Brüder mitnehmen, um Jeb seinen Job, mich am Leben zu erhalten, etwas zu erleichtern. Wenigstens war es der Jüngere, Ian, der mit Verspätung so etwas wie ein Gewissen entwickelt hatte - nicht ganz so schlimm, als wenn Kyle hiergeblieben wäre. Allerdings vermochte dieser schwache Trost meinen Herzschlag nicht zu verlangsamen.
»Alle schon satt?«, fragte Jeb laut und ironisch.
»Uns ist der Appetit vergangen«, murmelte Maggie.
»Wie sieht’s mit dir aus?«, fragte er und wandte sich mir zu. »Hunger?«
Ein leises Murren ging durch unsere Zuhörerschaft.
Ich schüttelte den Kopf mit einer kleinen, aber hektischen Bewegung. Ich wusste noch nicht einmal, ob ich Hunger hatte oder nicht. Aber ich wusste, dass ich nicht vor den Augen dieser
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