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Seelen

Titel: Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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die eigentlich nicht wie eine Gabel aussah, dafür hatte sie zu viele Zinken. Es war eher eine krakenartige Verzweigung von Gängen.
    »Der Dritte von links«, sagte er und sah mich erwartungsvoll an.
    »Der Dritte von links?«, wiederholte ich.
    »Genau. Vergiss das nicht. Man kann sich hier leicht verirren und das ist gefährlich für dich. Es kann gut sein, dass die Leute hier dir eher ein Messer in den Rücken rammen, als dir den richtigen Weg zu zeigen.«
    Ich schauderte. »Na toll«, murmelte ich mit leisem Sarkasmus. Er lachte, als hätte ihm meine Antwort gefallen. »Es bringt nichts, die Tatsachen zu leugnen. Dass man die Dinge laut ausspricht, macht sie nicht schlimmer.«
    Es machte sie auch nicht besser, aber das behielt ich für mich. Ich fing gerade an, mich ein bisschen wohl zu fühlen. Es war so schön, dass wieder jemand mit mir sprach. Jeb war zumindest ein interessanter Gesprächspartner.
    »Eins, zwei, drei«, zählte er ab und führte mich in den dritten Gang von links. Jetzt kamen wir an runden Eingängen vorbei, die auf unterschiedliche Arten behelfsmäßig verschlossen waren. Manche waren mit gemusterten Stoffbahnen verhängt, vor anderen waren große Stücke aus Pappe mit Paketband zusammengeklebt. Vor einem Loch lehnten zwei richtige Türen - eine aus rotgestrichenem Holz und eine aus grauem Metall.
    »Sieben«, zählte Jeb und blieb vor einer runden Öffnung stehen, deren höchster Punkt meinen Kopf nur um wenige Zentimeter überragte. Hier sorgte ein hübscher, jadegrüner Seidenparavent für die Privatsphäre, der in einem eleganten Wohnzimmer als Raumteiler hätte dienen können. Die Seide war mit einem Muster aus Kirschblüten bestickt.
    »Das ist der einzige Raum, der mir im Moment einfällt. Zumindest der einzige, der anständig genug hergerichtet ist, um eine menschenwürdige Unterkunft abzugeben. Er steht jetzt ein paar Wochen lang leer und bis er wieder gebraucht wird, fällt uns schon noch was Besseres für dich ein.«
    Er faltete den Paravent zur Seite und helles Licht strahlte uns entgegen.
    Der Raum, der zum Vorschein kam, hatte etwas Schwindelerregendes an sich - wahrscheinlich weil er so viel höher als breit war. Man hatte das Gefühl, in einem Turm oder einem Silo zu stehen. Nicht, dass ich jemals an solchen Orten gewesen war, aber das waren die Vergleiche, die Melanie zog. Die Decke, die doppelt so hoch war wie der Durchmesser des runden Raums, war ein Labyrinth aus Rissen. Wie Weinreben aus Licht rankten sich die Risse umeinander und verbanden sich beinahe. Das kam mir gefährlich vor, instabil. Aber Jeb hatte offenbar keine Angst davor, dass die Decke einbrechen könnte, als er mich hineinführte.
    Auf dem Boden lag eine Doppelmatratze, die auf drei Seiten jeweils einen knappen Meter von der Wand entfernt war. Die zwei Kissen und zwei Decken, die auf beiden Hälften der Matratze lagen, schienen darauf hinzudeuten, dass dieser Raum ein Paar beherbergte. Ein dicker Holzstab - so etwas wie ein Rechenstiel - klemmte am anderen Ende des Zimmers in Schulterhöhe zwischen den Wänden, wobei die beiden Enden in je einem der Schweizer-Käse-Löcher im Fels steckten. Eine Handvoll T-Shirts und zwei Paar Jeans hingen darüber. Neben dem behelfsmäßigen Kleiderständer stand ein Holzstuhl an der Wand und auf dem Fußboden daneben lag ein kleiner Stapel zerlesener Taschenbücher.
    »Wer?«, fragte ich, wobei ich wieder flüsterte. Es war so offensichtlich, dass dieser Raum jemandem gehörte, dass ich nicht länger das Gefühl hatte, allein zu sein.
    »Einer der Jungs, die auf Beutetour sind. Der ist jetzt erst mal eine Weile weg. Und wenn er zurückkommt, finden wir was anderes für dich.«
    Mir gefiel das nicht - der Raum schon, aber die Vorstellung, hier zu wohnen, nicht. Trotz der wenigen Habseligkeiten war die Präsenz des Bewohners sehr stark. Wer es auch sein mochte, er wäre nicht glücklich darüber, dass ich hier war. Er würde es verabscheuen.
    Jeb schien meine Gedanken zu lesen - oder mein Gesichtsausdruck war so deutlich, dass das gar nicht nötig war.
    »Komm schon«, sagte er. »Mach dir deswegen keine Sorgen. Das hier ist mein Haus und dies nur eins meiner vielen Gästezimmer. Ich entscheide, wer mein Gast ist und wer nicht. Und jetzt bist du mein Gast und ich biete dir dieses Zimmer an.«
    Es gefiel mir immer noch nicht, aber ich wollte Jeb auch nicht verärgern. Ich schwor mir, dass ich nichts anfassen würde, selbst wenn das bedeutete, dass ich auf dem Boden

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