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Seelen

Titel: Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephenie Meyer
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Menge essen konnte, deren größte Freude es gewesen wäre, mich zu verspeisen.
    »Also ich schon«, knurrte Jeb. Er ging durch den Gang zwischen den Tresen, aber ich folgte ihm nicht. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, in die Reichweite der anderen zu geraten. Ich blieb, wo ich war, und presste mich weiterhin an die Wand. Nur Sharon und Maggie sahen ihm zu, wie er zu einer großen Plastikwanne ging, die auf einem der Tresen stand, und sich ein Brötchen nahm. Alle anderen sahen mich an. Ich war mir sicher, dass sie bei der kleinsten Bewegung über mich herfallen würden. Ich versuchte, nicht zu atmen.
    »Schätze, wir gehen mal weiter«, schlug Jeb mit vollem Mund vor, als er zu mir zurückgeschlendert kam. »Offenbar kann sich kein Mensch hier auf sein Mittagessen konzentrieren. Ganz schön leicht abzulenken, die Bande.«
    Ich war hauptsächlich auf der Hut vor schnellen, brüsken Bewegungen der Menschen, ohne groß auf ihre Gesichter zu achten, nachdem ich am Anfang die paar erkannt hatte, die ich benennen konnte. Deshalb bemerkte ich Jamie erst, als er aufstand.
    Er war einen Kopf kleiner als die Erwachsenen neben ihm, aber größer als die zwei jüngeren Kinder, die auf der anderen Seite neben ihm auf dem Tresen saßen. Er sprang leichtfüßig auf den Boden und ging hinter Jeb her. Sein Gesichtsausdruck war starr und angespannt, als versuche er, eine schwierige Gleichung im Kopf zu lösen. Er fixierte mich aus schmalen Augen, als er sich mir in Jebs Windschatten näherte. Jetzt war ich nicht mehr die Einzige im Raum, die den Atem anhielt. Die Blicke der anderen wanderten zwischen mir und Melanies Bruder hin und her.
    Oh, Jamie , dachte Melanie. Sie war entsetzt über den traurigen, erwachsenen Ausdruck auf seinem Gesicht und ich vermutlich sogar noch mehr. Sie fühlte sich nicht so schuldig daran wie ich.
    Wenn wir das nur wieder rückgängig machen könnten, sagte sie und seufzte.
    Dafür ist es zu spät. Aber was können wir jetzt noch tun, um es besser zu machen?
    Es war nur eine rhetorische Frage, aber ich stellte fest, dass ich trotzdem nach einer Antwort suchte und Melanie ebenfalls. In dem winzigen Augenblick, der uns zum Nachdenken blieb, fanden wir keine. Ich war sicher, es gab auch keine. Aber wir wussten beide, dass wir weiter danach suchen würden, sobald diese dämliche Führung vorbei war und wir Gelegenheit zum Nachdenken hatten. Falls wir so lange am Leben blieben.
    »Was gibt’s, Junge?«, fragte Jeb, ohne ihn anzusehen.
    »Ich wollte bloß wissen, was ihr hier macht«, antwortete Jamie. Er bemühte sich, es beiläufig klingen zu lassen, was ihm auch fast gelang.
    Jeb blieb stehen, als er bei mir angelangt war, und drehte sich zu Jamie um. »Ich mache eine Führung für sie. So wie für jeden Neuankömmling.«
    Erneut war ein Murren zu vernehmen.
    »Kann ich mitkommen?«, fragte Jamie.
    Ich sah, wie Sharon mit wütendem Gesichtsausdruck heftig den Kopf schüttelte. Jeb ignorierte sie.
    »Ich hab nichts dagegen … wenn du dich zu benehmen weißt.«
    Jamie zuckte mit den Schultern. »Kein Problem.«
    Jetzt konnte ich nicht länger stillhalten - und krallte die Hände vor meinem Körper ineinander. Ich hätte ihm so gern das strubbelige Haar aus der Stirn gestrichen und dann meinen Arm um seinen Nacken gelegt. Etwas, das sicher nicht besonders gut angekommen wäre.
    »Na dann los«, sagte Jeb zu uns beiden. Er führte uns denselben Weg zurück, den wir gekommen waren. Jeb ging auf der einen Seite neben mir her und Jamie auf der anderen. Jamie schien zu versuchen, den Blick auf den Boden gerichtet zu halten, aber er sah immer wieder zu meinem Gesicht hoch - genau wie ich es nicht vermeiden konnte, zu seinem hinunterzuschauen. Immer wenn unsere Blicke sich trafen, sahen wir schnell weg.
    Wir waren ungefähr in der Mitte des breiten Gangs, als ich leise Schritte hinter uns hörte. Ich reagierte blitzschnell und ohne nachzudenken, sprang zur Seite und schob Jamie mit einem Arm hinter mich, so dass ich zwischen ihm und wem auch immer, der es diesmal auf mich abgesehen hatte, zu stehen kam.
    »He!«, protestierte er, aber er stieß meinen Arm nicht weg. Jeb war genauso schnell. Das Gewehr wirbelte in rasender Geschwindigkeit herum.
    Ian und der Doktor hoben beide die Hände über den Kopf.
    »Wir wissen uns auch zu benehmen«, sagte der Doktor. Es war schwer zu glauben, dass dieser Mann mit der sanften Stimme und dem freundlichen Gesicht der örtliche Folterer sein sollte; gerade weil sein

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