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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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Definition verleihen? Haben Sie denn nicht gesehen, was wir mit unseren Feinden machen?« Und dann: »Wir sind Legion. Tausende gibt es von uns.«
    O Gott, dachte Clara voller Entsetzen. Es ist dieser Irre!
    Wo blieb Winterfeld?
    Sie konnte jetzt nicht aus dem Haus. Vielleicht war es ein Hinterhalt. Vielleicht lauerten diese Verrückten ihr auf. Sie spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach, während ihr das Herz bis zum Hals schlug.
    Die Stimme sprach weiter. »Wenn wir mit Ihnen fertig sind, können sich die Ärzte aus der Brand-Intensiv aus Marzahn um Sie kümmern. Die sind spezialisiert darauf, große Teile fehlender Hautpartien zu ersetzen. Und falls Sie immer noch nicht verstanden haben, was wir mit Ihnen anstellen werden …« Clara beobachtete, wie er zu ihr hinaufwinkte. »Schauen Sie ins Internet, was mit Marsyas gemacht wurde.«
    Marsyas? Clara gab den Begriff in den Webbrowser auf ihrem Smartphone ein.
    Marsyas erwies sich als eine Gestalt aus der griechischen Mythologie. Er hatte sich mit dem Gott Apollo angelegt und verloren.
    Zur Strafe wurde er gehäutet.
    Bei Google sah Clara ein Gemälde von Tizian, das diese Szenen zeigte. Sie hatten Marsyas über Kopf gehängt, damit sein Gehirn während des Häutens mit ausreichend Sauerstoff versorgt wurde, sodass er trotz der Qualen nicht bewusstlos wurde.
    Clara schauderte. Sie war sicher, dass die Bewohner des Feuers genau das auch mit ihr vorhatten.
    Ihr wurde übel. Sie spürte den Drang, sich zu übergeben. Gleichzeitig sagte ihr der rationale Teil ihres Gehirns, sie solle am Telefon bleiben, den Mann in ein Gespräch verwickeln und alles tun, damit er möglichst lange unter der Laterne stehen blieb, damit Winterfeld und seine Leute ihn sich schnappen konnten.
    Aber dazu kam es nicht.
    Die Verbindung wurde beendet.
    Der Mann unter der Laterne steckte das Handy in die Tasche und förderte einen anderen Gegenstand zutage.
    Eine Pistole.
    Clara wollte schon in Deckung gehen, als sie sah, dass der Mann die Pistole nicht auf sie richtete. Stattdessen machte er noch einmal die Geste, als würde er ihr die Kehle durchschneiden.
    Dann hob er die Pistole.
    Steckte sie sich in den Mund.
    Und drückte ab.
    Clara hörte den gedämpften Knall, sah das Blut und die Hirnmasse, die im Gegenlicht der Laterne durch die Regenluft flogen. Der Mann kippte nach hinten und prallte auf seinen aufgesprengten Hinterkopf. Clara konnte das grässliche Geräusch bis hinauf zu ihrem Fenster hören.
    In diesem Moment bog Winterfelds schwarzer Mercedes um die Ecke, gefolgt von drei Streifenwagen.

4
    Clara saß im Einsatzwagen, einem VW-Transporter, der sogar einen kleinen Kaffeespender hatte.
    »Möchten Sie einen?«, fragte der Beamte auf dem Beifahrersitz, der sich gerade einen Becher gefüllt hatte, von dem er behutsam nippte. Vier Beamte waren in Claras Wohnung und berichteten über das Funkgerät, das auf dem Armaturenbrett des Transporters lag.
    Clara schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Meinem Magen geht es nicht besonders. Und hellwach bin ich inzwischen auch so.«
    »Das ist eine üble Sache«, sagte Winterfeld, der ihr gegenübersaß. Sie hatten sich den Toten angeschaut. Er hatte sich den halben Kopf weggeschossen, hatte aber außer der Pistole und dem Prepaidhandy nichts dabei. Die Waffe kam aus Osteuropa, das Handy war vor ein paar Tagen in Spandau gekauft worden.
    »Könnte es sein, dass der Mann ebenfalls konditioniert war? MacDeath hat mir da so etwas erzählt.« Winterfeld schaute sie kurz an; dann richtete er den Blick nach draußen.
    Clara nickte. »Gut möglich. Man nennt es Suizidprogramm.« Sie folgte Winterfelds Blick. »Ich hätte nur nicht gedacht, dass ich es so schnell live sehen würde.«
    Winterfeld nickte und knetete seine großen Hände. Man sah ihm an, dass er sich am liebsten einen Zigarillo angesteckt hätte. »Wie auch immer, hier können Sie auf keinen Fall bleiben, solange wir diesen Satanistensumpf nicht trockengelegt haben.«
    Clara nickte resigniert.
    »Diese Verrückten haben die Tür aufgeschlossen«, sagte sie. »Nicht aufgebrochen, sondern aufgeschlossen. Also müssen sie von irgendwoher einen Schlüssel bekommen haben.«
    »Wir tauschen sämtliche Schlösser aus«, versprach Winterfeld. »Sie brauchen sich um nichts zu kümmern. MacDeath und ich machen so lange mit dem Fall weiter.«
    »Aber …«
    »Kein Aber. Wir bringen Sie in Sicherheit«, unterbrach Winterfeld sie. »Ich werde mich persönlich darum kümmern.«
    »Aber ich kann doch nicht

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