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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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einfach von der Bildfläche verschwinden.«
    »Und ob Sie das können. Und genau das werden Sie auch. Manchmal muss man seinen Stolz hinter den Überlebenswillen zurückstellen.«
    »Soll das heißen, ich bin aus dem Fall raus?«, fragte Clara.
    »Señora«, sagte Winterfeld, »jetzt muss ich doch mal deutlich werden. Es geht hier nicht darum, dass man Ihnen einen Fall wegnehmen will, weil Sie eines der Opfer kannten. Oder weil Ihr Gesicht der Presse, Bellmann, dem Senat, der Polizei, dem BKA oder wem auch immer nicht passt, sodass wir jetzt jemand anders nehmen müssen.« Er schaute sie durchdringend an, ohne den Blick zu senken. »Hier geht es darum, dass Sie in Lebensgefahr sind.« Er nahm ihre Hand. »Diese Verrückten waren in Ihrer Wohnung., ohne dass es jemand gemerkt hat. Die hatten Ihren Schlüssel. Und sie haben Handlanger, die Nachrichten überbringen und sich danach erschießen, sodass man nichts aus ihnen herausbekommen kann.« Er schnaufte. »Würden Sie sagen, dass sind Leute, mit denen gut Kirschen essen ist?«
    Die Antwort fiel Clara schwer, auch wenn sie ganz einfach war. »Nein«, sagte sie.
    Winterfeld nickte. »Na also. Seien Sie vernünftig und ziehen Sie sich selbst eine Zeit lang aus dem Verkehr. Okay?«
    Clara nickte resigniert und schaute aus dem Fenster. Sie sah den Transporter der Rechtsmedizin, aus dem zwei Männer stiegen, die die Leiche des schwarz gekleideten Mannes auf eine Bahre legten.
    »Man darf das Grauen nicht ins Private lassen«, hatte sie zu Freese gesagt.
    Aber genau das war geschehen.
    Ihr fielen die Worte Mandys wieder ein: »Lassen Sie den Fall auf sich beruhen, sonst wird man sich um Sie kümmern.«
    Ist das eine Drohung? , hatte Clara gefragt.
    Das ist keine Drohung , hatte Mandy geantwortet. Das ist ein Versprechen.

5
    Clara saß auf dem Beifahrersitz des schwarzen Mercedes, während Winterfeld, der den Wagen lenkte, am Senderknopf des Radios drehte, das dünne, winselnde Popmusik von sich gab.
    Er überholte rasant ein Wohnmobil, das bockig den Verkehrsfluss behinderte.
    »Das Versteck ist geheim, also sind Sie sicher«, sagte er. »Sie werden von vier Beamten bewacht. Ihre Sachen bringen wir Ihnen hinterher. Dann werden wir alles aufbieten, um diesen Drachen einzukassieren, sodass Sie und auch die Angehörigen seiner Opfer wieder in Frieden schlafen können. Ich hoffe nur, wir erwischen dieses Schwein und seine Meute lebend.« Winterfeld blickte missmutig auf die Straße. »Irgendwann wird diese Stadt an dem Verbrechen, an diesem ganzen Scheiß ersticken. Und wissen Sie, wie die Regierung das sieht?«
    Er blickte Clara an. Sie konnte sich denken, worauf er hinauswollte.
    »Die Regierung findet das prima.« Winterfeld überholte wieder drei Autos in einem riskanten Manöver. »Sie glaubt, wenn sie dem Abschaum alles erlaubt, wird sie von diesem Abschaum wiedergewählt. Was diese Idioten in Senat und Bundestag aber nicht wissen, ist, dass dieses Dreckspack, wenn es etwas ändern will, ganz anders wählt. Nicht so …« Er malte mit den Fingern ein Kreuz in die Luft, wie auf einem Wahlzettel, »sondern so.« Er legte Zeige- und Mittelfinger an die Schläfe und betätigte einen unsichtbaren Abzug.
    Sie hatten die Vororte Berlins erreicht. Asbestverseuchte Plattenbauten erhoben sich in den tristen dunklen Himmel, zwischen denen hier und da, wie verloren, ein von Schmutz starrendes graues Relikt aus dem neunzehnten Jahrhundert stand. Dazwischen drängten sich Tankstellen, Baumärkte und Fast-Food-Restaurants, die metastasengleich in die Peripherie des trostlosen Umlands wucherten. Wenn es einen Ort gab, an dem man erwartete, einen grausamen Ritualmord oder eine zerstückelte Leiche zu finden, dann in einer solch trostlosen Betonwüste.
    Winterfeld hielt vor einem grauen, festungsartigen Gebäude, das von vier Beamten bewacht wurde.
    »Wir sind da«, sagte er.
    Die beiden stiegen aus.
    Einer der Beamten wechselte auf seinem Handy ein paar Worte mit einem Anrufer.
    Doch was er sagte, konnte Clara nicht hören.
    Und vielleicht war das gut so.

6
    Der Morgen graute. Clara hatte tatsächlich ein paar Stunden geschlafen, wenn auch längst nicht so tief und erholsam, wie sie nach den anstrengenden Tagen in ihrem Bett in der eigenen Wohnung geschlafen hätte.
    Sie sah sich um. Auch das Innere des Gebäudes erinnerte an eine Festung. Dicke Steinmauern, die Hälfte des Gebäudes unterirdisch, kaum Fenster und vier bis fünf Beamte, die sie bewachten.
    Clara hatte gestern Abend noch

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