Seelenangst
sein.
»Ja«, sagte sie. »Leider.«
15
Die Stimme hallte durch das Gewölbe, als der Priester in der blutroten Robe den Kelch mit der dunklen Flüssigkeit in die Höhe hob.
Der Mann mit der schwarzen Brille, dem grausam zusammengekniffenen Mund und den stahlartigen Bartstoppeln stand in seinem brüchigen schwarzen Ledermantel in der Nähe des großen Tores.
Seine Vasallen feierten die Schwarze Messe. Sie sollten Kraft tanken für das, was in Kürze vor ihnen lag. Der Meister hatte sich angekündigt. Bald würde es sicher ein neues Opfer geben.
Der Kelch, der Hostienteller und das Messer lagen auf dem Altar. Die Kerzen bestanden aus dem Fett ungetaufter Kinder, der Kelch war mit unschuldig vergossenem Blut gefüllt, und die Hostien waren gestohlen und sollten in der Messe geschändet werden.
Die schwarz gekleidete Gemeinde verneigte sich.
Er hörte das Murmeln der Akolythen in dem düsteren Gewölbe.
In nomine magni Dei nostri Satanas. Introibo ad altare Domini Inferi, hallte es von den modrigen Wänden wider. Im Namen unseres allmächtigen Gottes Satan. Ich trete an den Altar des Herrn der Hölle.
Dutzende schwarzer Kerzen waren auf steinernen Podesten und Kandelabern befestigt, die das Steingewölbe in eine unheimliche Welt aus Licht und Schatten verwandelten. Der Geruch der Kerzen erfüllte die muffige Luft des unterirdischen Tempels. Draußen war es minus fünf Grad, doch der Innenraum hatte eine angenehme Wärme, da die Heizungsrohre der Stadtwerke direkt hindurchliefen.
Der dumpfe Sprechgesang ging weiter.
Qui regit terram. Der die Erde regiert.
Die Stimme des Priesters, der in schwarzer Robe vor dem Altar stand, richtete sich an die Gemeinde.
»Kann das zerfetzte und blutige Opfer das blutverschmierte Maul lieben, das ihm Stück für Stück seine Gliedmaßen abbeißt?«, fragte er, und die Menge schüttelte den Kopf. »Kann der Mensch Gott lieben, der ihn versklavt und mit Schmerzen überhäuft?«
Er hob das Messer.
»Verflucht sind die Lämmer Gottes, denn sie werden ausbluten, bis sie weißer Schnee sind.«
Wieder ertönte der schwarz gekleidete Chor:
Dominus Inferus vobiscum. Der Herr der Hölle sei mit euch.
Dann verneigte sich die dunkle Gemeinde.
Der Prediger drehte sich in eine Richtung und sprach: »Wir schauen nach Süden und grüßen Satan, den Widersacher, Ankläger und Gegner Gottes. Den Herrn des Feuers und des Infernos.«
Alle verbeugten sich nach Süden.
Dann wandte er sich nach Osten.
»Wir schauen nach Osten und grüßen Luzifer, den strahlenden Engel der Erleuchtung, den Lichtbringer und Herrscher der Sterne.«
Die Menge verneigte sich.
»Und wir schauen nach Norden und grüßen Asmodeus, den Zerstörer, den Gott des Abgrunds und Herrn der höllischen Kreaturen.«
Der Priester drehte sich ein letztes Mal.
»Wir schauen nach Westen und grüßen Leviathan, die Schlange aus den Tiefen, den Herrscher des Meeres.«
Der Priester hob den Kelch mit der dunkelroten Flüssigkeit.
»Durch die schwarze Flamme Satans wandelst du in der Hölle. Deine Sinne werden erweckt für die Freude der Wiedergeburt.« Er trank von dem Kelch. »Weit offen sind die Tore, und dein Eintritt wird verkündet von den unsterblichen Rufen seiner wachenden Bestien. Sein Brandmal wird sich in Ewigkeit in deinem Bewusstsein einbrennen, seine flammende Bedeutung macht dich frei.«
Die Menge verneigte sich noch einmal.
»Denn wer das Reich der Schatten betritt, dessen Augen werden sich bald an die Dunkelheit gewöhnen.«
Der Mann mit der schwarzen Brille und dem Ledermantel blickte sich um und sah einen seiner Gehilfen in einer schwarzen Robe, der sich ihm unterwürfig näherte.
»Warum störst du mich?«
»Eine Nachricht vom Meister.« Der Mann hielt einen kleinen Gegenstand in die Höhe. »Wir haben ein neues Opfer.«
16
Die Dämmerung war heraufgezogen. Einige der Regentropfen, die draußen im Licht der Deckenlampen aufblitzten, fielen durch das offene Fenster in den Flur der dritten Etage des LKA, das Winterfeld wieder einmal geöffnet hatte, diesmal ohne zu rauchen. Aber vielleicht minderte das offene Fenster seine Entzugserscheinungen.
Clara hatte kurz zuvor mit der Spurensicherung telefoniert. Am Freitagabend hatte Gayo zuletzt eine Handynummer angerufen. Nun versuchten die Ermittler festzustellen, wer hinter dieser Nummer steckte. Außerdem war auf Gayos Schreibtisch das Fax eines Handwerksbetriebes gefunden worden. Angeblich sollte am Samstag das Parkett abgeschliffen werden – am
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