Seelenangst
über die Friedrichstraße?«, fragte sie Winterfeld.
»Natürlich«, erwiderte Winterfeld. »Auch wenn ich euer erbauliches Gespräch über Satanismus auf dem Rest der Rückfahrt vermissen werde. Schicken Sie mir morgen den Bericht?«
Clara lächelte. »Kann aber sein, dass der auch nicht sonderlich erbaulich wird.«
Winterfeld zuckte die Schultern, als Friedrich und Clara aus dem Wagen stiegen. »Was ist schon erbaulich?«
Sie fuhren wieder mit dem Aufzug zum Büro Franco Gayos hinauf. Nur ein Polizist hielt sich noch dort auf, während die Kollegen von der Spurensicherung ihre Sachen zusammenpackten. Mittlerweile war es fast Mitternacht.
»Ah, Frau Vidalis«, sagte einer der Spurensicherungsbeamten, ein untersetzter, bärtiger Mann. »Es hat sich etwas Wichtiges ergeben. Die Baufirma, die angeblich in Gayos Büro das Parkett abschleifen sollte, existiert gar nicht. Falls der Täter damit zu tun hat, hat er das Fax, den Briefkopf und so weiter bloß erfunden. Die Festnetznummern sind tot. Vielleicht waren sie nur für kurze Zeit aktiviert, falls überhaupt.« Er faltete einen Zettel in seiner Hand zusammen und wieder auseinander. »Die Mobilnummer auf dem Fax ist eine Prepaidnummer, und das Handy wurde vor drei Wochen gekauft. Die Karte ist abgelaufen. Es wurde bar bezahlt. Videoüberwachungsaufnahmen aus dem Laden, die den Käufer identifizieren könnten, existieren nicht.«
Clara verzog das Gesicht. »Na prima«, sagte sie. »Scheint nicht nur ein Wahnsinniger zu sein, sondern obendrein ein Profi.«
Die Leute von der Spurensicherung verließen das Büro, während der Polizist Clara und MacDeath begleitete, als sie das Vorzimmer durchquerten und Franco Gayos Büro betraten.
Clara ging zum Telefon auf Gayos Schreibtisch und streifte einen Gummihandschuh über. Dann drückte sie auf die Menütaste und auf einen Pfeil. Das Menü zeigte verschiedene Nummern an. Die letzte war von vergangenem Freitagabend. Eine Berliner Nummer. Festnetz. Clara schrieb die Nummer auf einen Zettel und reichte ihn dem Polizisten. »Findet bitte raus, wer das ist«, sagte sie.
»Wird gemacht.«
Clara schaute auf den Ledersessel hinter den Schreibtisch. Auf dem Tisch lag eine Notiz. Check Susi stand darauf.
»Wer könnte Susi sein?«, fragte sie.
MacDeath zuckte die Schultern. »Vielleicht die Nummer auf dem Telefon. Oder eine Kollegin.«
»Wissen wir, wer hier noch alles arbeitet?«, fragte Clara den Polizisten.
»Das wird zurzeit ermittelt.«
»Okay.« Clara strich mit der Hand über die Mahagonioberfläche des Schreibtisches. Dabei fiel ihr Blick auf mehrere Ordner, die auf dem Schreibtisch lagen. »Die muss ich mitnehmen«, sagte sie. »Oder braucht ihr die noch?«
Der Polizist schüttelte den Kopf. »Nehmen Sie es ruhig als Bettlektüre mit.«
Clara lächelte und schaute auf die Uhr.
»Mitternacht«, sagte sie. »Ich schlage vor, das war’s für heute.«
»Geisterstunde«, ergänzte MacDeath.
»Ja, nur haben wir auch so schon genug Geister.«
21
Als Clara am nächsten Morgen um halb neun an ihrem Schreibtisch saß, lag bereits die Tagespresse auf ihrem Platz, eine Zeitung bunter und reißerischer als die andere. Sämtliche Regionalblätter brachten die Ermordung Gayos auf der Titelseite.
Franco Gayo war nicht nur auf bestialische Weise zu Tode gekommen, er war auch eine mehr oder weniger berühmte Persönlichkeit, was Claras Arbeit nicht gerade einfacher machte. Es wurde Zeit, dass sie Informationen über mögliche Mitarbeiter Gayos bekam, die ihr mehr erzählen konnten. Es kam ihr seltsam vor, dass am Montagmittag noch niemand im Büro gewesen war, zumal sie sich nicht vorstellen konnte, dass jemand wie Franco Gayo den administrativen Aufwand – Reisen, Reden schreiben, Flüge buchen und dergleichen – allein erledigte. Da musste es jemanden geben, und vielleicht hatte dieser Jemand etwas mit dem Mord zu tun.
Auf dem Tisch vor Clara lag der Inhalt der Ordner, die sie gestern Abend aus Gayos Büro mitgenommen hatte. Es waren Unterlagen über Gayos Stiftung Do ut des , über den geplanten Auftritt bei einer großen Samstagabendshow in der nächsten Woche, der nun nie stattfinden würde, über Eröffnungsgalas, Presseclippings, Klickraten seiner Webseite, Statements aus früheren Sendungen, Lebenslauf, berufliche Stationen und vieles mehr.
Die Presseabteilung im ersten Stock des LKA war im Dauereinsatz, um neugierige Fragen abzuwehren. Auch über die Umstände des Todes wollte man noch nichts verlauten lassen.
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