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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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es bekanntlich immer gut.«
    »Dann müsste unser Killer ja bei allen Apothekerzeitschriften auf dem Cover sein«, sagte Hermann. »Es gibt zwei Neuigkeiten.«
    »Lass hören.« Clara stand auf.
    »Nummer eins: Wir haben die Adresse der Sekretärin von Gayo.«
    »Wie heißt sie?«
    »Wolters«, sagte Hermann, »Susanne Wolters.«
    Check Susi, dachte Clara. Die Haftnotiz, die auf dem Schreibtisch von Gayo gelegen hatte.
    »Wir haben sie telefonisch nicht erreicht«, fuhr Hermann fort, »aber ihre Wohnung ist in Schönefeld. Zwei Kollegen sind schon losgefahren, ich wollte auch gleich hin. Kommst du mit?«
    »Klar«, sagte sie. »Und die zweite Sache?«
    »Zeige ich dir im Auto.«
    »Erfreulich oder unerfreulich?«
    »Unerfreulich, was denn sonst.«
*
    Hermann und Clara saßen im Fond eines Einsatzwagens, der vom Tempelhofer Damm in Richtung Schöneberg fuhr. Hermann hatte ein paar Unterlagen dabei.
    »Also, was ist die zweite Sache?«, fragte Clara. »Die unerfreuliche.«
    Hermann zog ein Blatt in einer Klarsichtfolie hervor.
    »Kann ich das anfassen?«, fragte Clara.
    »Klar, ist nur eine Farbkopie.«
    Clara schaute auf das linierte Blatt Papier in der Größe DIN-A5. Es schien aus einem Schreiblehrbuch aus der ersten Klasse zu sein. Ein Satz stand dort, in Schreibschrift, wie ein Kind schreiben würde, nur dass die Buchstaben nicht geschrieben, sondern aufgeklebt waren. Das große »U«, dann das kleine »n«, dann das kleine »d«. Und der Satz ging weiter.
    Clara las den Satz, der in der Grundschul-Schreibschrift einerseits kindlich und unbedarft, wegen der aufgeklebten Papierfetzen zugleich aber wie ein Bekennerschreiben aussah. Ebenso wie der Inhalt des Satzes, in dem eine drohende Botschaft steckte, von der sie nicht wusste, gegen wen sie gerichtet war:
    Und alle Vögel wurden satt von ihrem Fleisch.
    Clara biss sich auf die Lippe und schaute aus dem Fenster auf die großen Stadthäuser, die nahe der U-Bahn-Station Kleistpark vorüberzogen. Dann blickte sie Hermann an.
    »Was soll das? Wo kommt das her?«
    »Ich habe dir doch von dieser Schwester Viktoria aus dem Kinderheim erzählt, die bei uns war«, sagte Hermann. »Aus dem Heim, wo sie misshandelte und missbrauchte Kinder aufnehmen.«
    Clara nickte. »Ja. Und?«
    »Einer der Jungen, er heißt Lukas, hat vor ein paar Tagen von einem Mann einen Umschlag bekommen. Darin war ein USB-Stick, auf dem ›Gayo‹ stand. Außerdem«, er schaute kurz aus dem Fenster und fuhr sich mit dem Finger über die Nase, »nun ja, dieser Zettel. Dachte, der interessiert dich.«
    »Und alle Vögel wurden satt von ihrem Fleisch«, wiederholte Clara. »Klingt biblisch.«
    »Er ist biblisch«, sagte Hermann. »In bin zwar kein Experte in solchen Dingen, aber das habe sogar ich gefunden. Das ist aus der Offenbarung des Johannes. Kann man bei Google nachschauen.«
    »Und was sagt das Kind? Dieser Lukas?«
    »Gar nichts«, sagte Hermann. »Der Junge ist katatonisch. Mutismus. Kann passieren, wenn man aufgrund traumatischer Erlebnisse nicht mehr sprechen kann.«
    »Ich will ihn trotzdem heute im Revier sehen«, sagte Clara. »Irgendwie muss er uns etwas über den geheimnisvollen Mann sagen, der ihm den Stick gegeben hat. Zur Not machen die Zeichner so lange Phantombilder, bis Lukas irgendetwas wiedererkennt. Kannst du das Heim anrufen?«
    »Mach ich.« Hermann nickte.
    Clara schloss einen Moment die Augen. »Dieser USB-Stick«, fragte sie. »Was ist da drauf?«
    Hermann atmete geräuschvoll aus, während er einer Harley Davidson hinterherschaute, die am Einsatzwagen vorbeifuhr. »Eine ganze Menge.«
    »Geht’s ein bisschen präziser?« Manchmal musste man Hermann alles aus der Nase ziehen. Genau wie von Weinstein.
    Hermann kratzte sich am Kopf, während er sprach. »Wir haben mal kurz reingeklickt und einige Reisedokumente, Abrechnungen und Kalkulationen gefunden. Sounddateien sind auch drauf. Offenbar hat da jemand irgendwelche Gespräche abgehört. Ebenso ein paar interne Mails. Es scheint da um einen Transfer irgendwelcher Leute nach Europa zu gehen. Keine Ahnung, um was genau es sich handelt. Erich Weber vom SO beim BKA ist heute in Berlin und kann sich nachher eine Stunde in seinem Kalender freiwühlen. Ich hoffe, wir haben bis dahin eine ungefähre Vorstellung, was alles auf dem Stick ist.«
    Der »SO« war der Bereich »Schwere und Organisierte Kriminalität«. Erich Weber, mittlerweile kurz vor der Pensionierung, war der Abteilungsdirektor und ein alter Hase beim BKA,

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