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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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war.
    Immerhin hatte sie sich ein wenig beruhigt, als sie aus der Schockstarre erwacht war, nachdem sie zuvor wie eine Furie in der Zelle getobt hatte.
    »Es gab keine Drogen?«, fragte nun Freese, als ob es unmöglich sei, dass jemand ohne Drogen so ausrasten könne. Er blickte Dr. Marquard an. »Nichts?«
    »Wir haben Spuren von Amphetaminen in ihrem Blut gefunden«, antwortete Marquard, »allerdings nur noch schwach. Vielleicht waren es Amphetamintabletten, zum Beispiel Dexedrin. Wenn man die mit Heroin kombiniert, kann es eine fatale Wirkung haben.«
    »Aber die Konzentration würde nicht ausreichen, um ihr Verhalten zu erklären?«
    Marquard schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Da müssen wir den großen Test abwarten. Dann wäre auch die starke Wirkung zu erklären.« Er nahm die Akte zur Hand. »Es kann natürlich sein, dass sie Mischungen aus Amphetamin und Barbiturat eingenommen hat, die man auch als Purple Hearts bezeichnet. Oder Methamphetamin – Speed, Crack oder Ice.«
    »Nach Crystal Meth sieht es nicht aus, oder?«, fragte MacDeath.
    Chrystal Meth. Diese Droge war vor einigen Monaten nach Berlin geschwappt und hatte eine Schneise der Verwüstung gezogen. Die tschechische Grenze war nur 40 Kilometer entfernt; dort konnte jeder die Droge unter dem Ladentisch kaufen. Crystal Meth wirkte zunächst aufputschend und enthemmend und hielt mehr als 70 Stunden wach. Doch am Ende zerstörte sie, wie alle Drogen, vor allem den Konsumenten selbst. Die Zähne verfaulten, die Körpertemperatur stieg wie im Fieber, und unter der Haut schienen sich inmitten juckender Ekzeme augenlose Insekten zu bilden, die aus dem Körper des Betroffenen hervorkrochen wie aus einem lebenden Zombie, wenn er sich die Haut aufschnitt. Dies erklärte die schrecklichen Wunden, entstanden durch die Schnitte von Rasierklingen oder Nagelscheren, die sich die Betroffenen selbst beibrachten und die noch jahrelang sichtbar waren. Die Insekten existierten nicht wirklich, sie waren Wahnvorstellungen, aber die Folgen der Droge waren real. Nachdem deren euphorisierende Wirkung verebbt war, verfaulte man bei lebendigem Leib.
    »Nein, kein Crystal Meth.« Marquard schüttelte den Kopf. »Die Begleiterscheinungen wären anders. Und drogeninduzierte Psychosen werden nicht unbedingt von Crystal Meth hervorgerufen. Da gibt es andere.«
    »Falls es sich wirklich um drogeninduzierte Psychosen handelt«, sagte MacDeath.
    »Was soll es denn sonst sein?«, fragte Freese. »Meinen Sie, der Mann mit dem Kapuzenpulli hat die Frau per Gedankenkontrolle gesteuert?«
    MacDeath blickte ihn an. »Mind Control? Warum nicht?«
    »Das ist doch Unfug«, sagte Marquard und kniff sich wieder ins Kinn. »Zwar behaupten schizophrene Patienten immer wieder, dass sie gelenkt würden, dass sie Stimmen hören und irgendeine Macht sie zu etwas auffordert, aber das geschieht nur in ihrem Kopf. Manche behaupten auch, andere könnten ihre Gedanken lesen oder ihren Willen beeinflussen.« Er schob die Hände in die Taschen seines weißen Kittels.
    »Paranoide Schizophrenie, nicht wahr?«, sagte MacDeath. Dr. Marquard nickte widerwillig. Clara nahm eine gewisse Spannung zwischen beiden Männern wahr. »Mandy fühlt sich vom ›Gott des Mordes‹ gesteuert und spricht von den ›Bewohnern des Feuers‹.« MacDeath blickte abwechselnd in die Akte und auf den Monitor, der die apathische Mandy in ihrer Zelle zeigte. »Sie hört aber sofort damit auf, wenn wir zuhören, als hätte sie Angst vor den Konsequenzen, wenn sie darüber redet.«
    Marquard nickte erneut, diesmal bereitwilliger. »Wir haben eine Reizüberflutung mit Angst, wissen aber nicht, vor wem die Frau sich so sehr fürchtet. Darüber hinaus zeigt sie eine starke Autoaggression. Denken Sie an die Suizidversuche mit den Scherben und an den blutigen Brei, den sie dem Pfleger ins Gesicht gespuckt hat.«
    »Kann es nicht sein«, fragte MacDeath, »dass jemand sie in den Selbstmord treiben will, damit sie keine Informationen preisgeben kann?«
    »Kann sein, ist aber nicht sehr wahrscheinlich.«
    »Vor dem Hintergrund der Morde aber eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich«, sagte MacDeath.
    Marquard zuckte die Schultern. MacDeath schien ihm mit seinen Fragen ein wenig auf den Nerv zu gehen. Clara war nicht sicher, ob Marquard ihn eher als Kollegen schätzte, mit dem er sich auf Augenhöhe unterhalten konnte, oder ob er ihn als Besserwisser und damit störend empfand.
    »Möglicherweise«, sagte Marquard.
    »Was können wir tun?«,

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