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Seelenangst

Seelenangst

Titel: Seelenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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sogar sicher, dass er gerne mit der Polizei spricht.«
    »Wieso?«
    »Kremmer sieht nichts Unrechtes in dem, was er bei der Stasi getan hat. Er stellt sich auf den Standpunkt, dass es sein Job gewesen sei, für Ruhe und Ordnung zu sorgen.« Er blickte Clara und MacDeath an. »Und das ist ja auch Ihr Job.«
    »Er betrachtet uns als Verbündete?«
    Freese lächelte. »So könnte man es ausdrücken.« Er schaute auf die regennasse Straße. »Wenn Sie wollen, kann ich den Kontakt herstellen. Dann können Sie beide ihn besuchen.«
    »Warum kommen Sie nicht mit?«
    »Wenn ich dabei bin, wird er befürchten, dass es an die Presse geht, und den Mund nicht aufmachen.«
    Clara blickte MacDeath im Innenspiegel an.
    »Einen Versuch ist es wert, oder? Wir fahren erst zu von Weinstein und dann zu diesem Kremmer. Okay?«
    MacDeath nickte. »Okay. Man sollte sich alles mal anschauen. Nur wer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.«
    Freese blickte nach hinten. »Faust, nicht wahr?«
    MacDeath nickte. »Der Gesang der Engel.«
    »Wo finden wir diesen Joseph Kremmer?«
    »In Ostberlin, wo sonst. ADK.«
    »ADK?«, fragte Clara.
    »Allee der Kosmonauten.«

11
    Die ohnehin ramponierte Leiche des Tattoo-Mannes hatte durch die Obduktion noch ein paar weitere Schnitte dazubekommen. Freese schaute mit einer Mischung aus Abscheu und morbider Faszination auf den Toten, besonders auf die tätowierten Überreste des Kopfes, die Messer und die oszillierende Säge, mit dem ein Sektionsassistent der Leiche soeben den Schädel aufgesägt hatte, um das Gehirn zu entnehmen.
    Von Weinstein wandte sich Freese zu.
    »Haben Sie so etwas schon mal gesehen?«
    Freese schüttelte den Kopf.
    »Dachte ich mir. Wir brauchen hier keinen Heldentod zu sterben, klar? Wenn Ihnen schlecht wird, gehen Sie sofort raus. Wir rufen hier nicht extra den Notarzt, nur weil Sie zusammenklappen und mit dem Kopf auf dem Fliesenboden aufgeschlagen sind. Dann nähen wir Sie persönlich, allerdings mit Leichengarn. Capito?«
    »Verstanden.« Freese nickte ergeben.
    »Jetzt zur Sache.« Das war Clara. »Was ist in seinem Magen?«
    »Habe ich extra für uns aufgespart«, sagte von Weinstein. Er griff in die geöffnete Bauchhöhle der Leiche und entfernte mit zwei Schnitten den Magen. Dann legte er das Organ auf den Organtisch am Fußende des Sektionstisches und schnitt den Magen mit einer Knopfschere entlang der großen Wölbung auf. Eine Schere, die zwar schnitt, aber nicht spitz war, sondern einen Knopf auf der Spitze hatte und nur da Schnitte machte, wo sie sollte. Dann ließ er den Mageninhalt, eine breiige Mischung aus Reis, Gemüsebrocken und halbverdautem Fleisch, in einen großen Messbecher laufen.
    »Er hat Chinesisch gegessen«, murmelte von Weinstein, während Freese das Gesicht verzog. Irgendetwas im Messbecher machte ein dumpfes Geräusch.
    »Da haben wir’s ja.« Von Weinstein und zog ein kokonartiges Etwas von ungefähr sechs Zentimetern Länge aus dem schleimigen Brei. »Spülen Sie das mal ab.« Er gab das Etwas einem Sektionsassistenten, der es unter die Dusche im Fußbecken des Tisches hielt.
    Clara beugte sich vor. »Was ist das?«
    »Zunächst mal Klebeband«, sagte der Assistent. »Als hätte er etwas darin eingewickelt, um es besser herunterschlucken zu können.«
    Eingewickelt und heruntergeschluckt.
    Clara kannte die »Bodypacker«, auch »Mules« genannt. Es waren arme Schweine, die Kokain aus Südamerika nach Europa schmuggelten. Eingepackt in Kondome, die sie alle nacheinander herunterschluckten, am Zoll vorbeischmuggelten und dann damit ins Flugzeug stiegen, die verbotene Fracht im Magen. Keinesfalls durften die Kondome vor der Landung ausgeschieden werden. Clara hatte schon höchst unappetitliche Geschichten von Bodypackern gehört, die die ausgeschiedenen Kondome auf der Flugzeugtoilette wieder heruntergewürgt hatten und dann beim Zoll durch ihren grauenhaften Mundgeruch aufgefallen waren. Und platzte solch ein Kondom, was jederzeit passieren konnte, starb der Überbringer sofort an einer Überdosis. Clara und ihr Team hatten schon so manchen dieser Mules tot in einem Müllcontainer in Tegel oder Schönefeld gefunden, wo seine Auftraggeber ihn hastig entsorgt hatten, damit nichts aufflog.
    Aber warum hatte dieser Mann etwas im Magen?, fragte sie sich nun. Und was ist das? Etwa auch ein USB-Stick?
    »Können wir es aufschneiden?«, fragte sie.
    »Klar.«
    Der Assistent trennte das Klebeband auf und brachte etwas Kantiges, Silbriges zum

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