Seelenasche
langweilig. Langweilig wie eine alte Jungfer auf âner Schülerfete.«
Mit untrüglichem Röntgenblick erkannte er die Angst auf dem Gesicht seines Untergebenen und begann, sich vor dessen Angst zu fürchten. SchweiÃausbruch, registrierte Jordan. Die Worte des Chefs waren so klar und direkt, dass er keinen Anhaltspunkt fand, sie scherzhaft aufzunehmen. Wenn er seinem Chef ȟber« geworden war, dann hieà das unter Garantie, dass er alle langweilte. Die Menschen wollten es sich noch nicht eingestehen, und Jordan hatte nur so ein dumpfes Vorgefühl, Gospodinov aber mit dem sechsten Sinn des echten Profis konstatierte es bereits. Dazu genügte ihm, in Jordans Sendung hineinzuschauen. Nun konnte der Ressortleiter alles verzeihen, aber kein Versagen im Kern dessen, was Fernsehen wollte. Es wäre dumm gewesen, dem Chef zu widersprechen, spürte er doch, dass er nicht einmal sich selbst vom Gegenteil überzeugen konnte.
»Und was darf ich mir darunter vorstellen, unter âºden Runden Tisch aufpolierenâ¹?«
»Wie viele vorproduzierte Sendungen hast du gerade im Kasten?«
»Zweie.«
»Bestens! Die strahlen wir noch aus, und dann stellen wir das Format ein.«
»Aber ich bin auf dem Sprung zu Aufnahmen ⦠Habe schon feste Vereinbarungen mit Fachleuten ⦠Hab dir doch erzählt von dem Thema: Verwundbarkeit der technischen Zivilisation!«
»GroÃartig.« Gospodinov freute sich wie ein Kind, dass sein Angestellter ihm die Möglichkeit gab, Nachsicht zu zeigen. »Dann stellen wir die Sendung also nach diesen drei Sendungen ein.«
»Bin ich wirklich so schlecht?«
»Schau mal, mein Bester: Jede Sendung hat eine Brücke zwischen den Menschen zu schlagen, indem sie ihnen ein gemeinsames Erlebnis verschafft, über das sie zueinander finden und sich einig fühlen. Und was gibt es Traurigeres als eine zerstörte Brücke? Eine eingestürzte Brücke eint nicht, mein Bester, sie trennt!«
Seine Angst vor Jordans Angst machte ihn wahnsinnig. Er griff nach den Wunderpillen aus Baldrian, WeiÃdorn und Minze, steckte sie wieder in die Sakkotasche und begann, seine Armbanduhr aufzuziehen. Ja, der Chef verlor lieber ein wenig, als viel zu gewinnen, mit dem Mut der Verzweiflung war er aber wild entschlossen, lieber viel zu gewinnen, wenn er unter Umständen alles zu verlieren drohte. Dieser Zwiespalt machte ihn unsicher, und darum preschte er wild entschlossen vor.
»Du brauchst eine Auszeit, mein Bester, du bist überarbeitet. Sagen wir, bis zum Herbst. Du bist ein Mann mit Phantasie und Erfahrung; wenn die kühlenden Regentröpfchen fallen, will ich alles in meinen Kräften Stehende tun, um dir eine Beförderung zu verschaffen!« Gospodinov starrte auf den linken Bildschirm. Das Atom-U-Boot verschoss gerade eine ballistische Rakete, aber Jordan lenkte ihn vom Schauen ab. »Warum setzt du dich nicht?«
Mit dieser liebenswürdigen Einladung gab der Chef ihm zu verstehen, dass er das Gespräch für beendet erachtete. Sie verabschiedeten sich kühl, doch Jordan spürte verwundert, dass er einfach nicht fähig und nicht willens war, diesen Schuft zu hassen. Auf dem Gang nickte er mechanisch jemandem zu. Die Geräusche beruhigten ihn, das Chaos und aufgeregte Hin und Her tonisierte ihn. Nachdem er nun alles verloren hatte, hielt Jordan das selbstzufriedene Grinsen auf seinem Gesicht fest wie einen Luftballon. Noch wusste ja keiner, dass er nur noch Erinnerung war, nur noch ein Schatten seiner eigenen Berühmtheit.
17
Die Flasche bulgarischen Whiskys der Marke Century Gold hatte er sich auf dem Heimweg vom Fernsehen gekauft. Nun saà er im Wohnzimmer, und obwohl er gar keine Lust auf Alkohol hatte, betrank er sich mit jener Zielstrebigkeit, an deren Ende die totale Gefühllosigkeit steht. Trinken ist eine Abart der Meditation. Mithilfe des Alkohols wird das Leben leicht und melancholisch, verliert seine Einzelheiten und scharfen Kanten, die Welt wird kleiner, überschaubarer, und der Trinker fühlt sich gröÃer. Es war Dienstag â das bedeutete, Neda würde spät heimkommen. Er wollte, dass sie zuerst von seinem Gespräch mit dem Chef erfuhr, weil er ihr Feedback brauchte und die Erleichterung sehen wollte, die sich auf ihrem Gesicht malte, die seelische Feststimmung, die sie ergreifen und ausstrahlen würde.
Jordan hasste es zu warten, denn je weniger man tat, auf desto
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