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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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»Lieben Sie scharfe Gegenstände?« Wegen der Harmonie zwischen seinen Fragen und seiner Visage, die Ausdruck auch in seinem modischen Interesse für den Taoismus und seinem servilen Lächeln fand, nannten ihn alle hier auf dem Platz nur »der Pekinese«.
    Â»Du bist nicht bei der Sache, lässt dich doch nicht etwa gerade scheiden?«
    Â»Spiel, Pekinese, sonst feg ich dich vom Platz!«
    Â»Bin mit zwei Sätzen vorn, Wertester. Oder ist jemand gestorben, der dir nahestand?«
    Â»Dein Sinn für Humor beginnt mir auf den Wecker zu gehen.«
    Â»Oh, dann hattest du sicher einen Unfall? Es beflügelt mich immer, wenn ein schwerer Unfall passiert ist und berühmte Persönlichkeiten darin verwickelt sind.«
    Â»Steck die Nase lieber in deinen alten Laotse.«
    Jordan gelang ein Aufschlag mit Effet. Sofort lief er ans Netz, doch Robby hatte sein Service pariert und den Ball über ihn weggehoben zum nächsten Punkt. Der Pekinese war besser als er, spielte ihn regelrecht aus und ließ ihn aussehen wie einen Anfänger. Ausgerechnet jetzt hellte der Himmel sich auf, und die Zuschauerränge füllten sich. Das wurde ihm doch langsam peinlich. Robby kannten die Leute nicht. Er hatte nur wenige Sendungen, und die wurden auch noch im zweiten Programm ausgestrahlt. Jordan aber riskierte hier das Renommee seines Runden Tischs .
    Â»Mir reicht’s. Na komm, ich lad dich ins Parkhotel ein, die haben gerade eine Lieferung Radeberger bekommen.«
    Â»Ich bring mein Bier immer mit«, retournierte Robby munter, »und leg es ins Gefrierfach, damit die Brocken gewissen Freunden im Hals stecken bleiben. Schon mal gehört? Bauchfellentzündung soll sehr gefährlich sein.«
    Sie trafen sich am Ende des Courts, wo ihre Sporttaschen lagen. Jordans Durst hatte sich verflüchtigt, Robbys Gesicht strahlte in zufriedener Rachsucht. Auf dem Platz nebenan hatte sich ein beleibter Mann in vorgerücktem Alter einen Trainer gemietet und übte Aufschläge. Sie hockten im Schatten der Kletterpflanze, die sich kraftlos am rostigen Maschendrahtzaun hinter ihnen um das Reklamebanner des Stahlwerks Kremikovzi rankte. Aber der Schatten war spärlich. Ende Juni gab die Sonneneinstrahlung so etwas wie das sirrende Geräusch eines fernen Umspannwerks von sich.
    Â»Gestern habe ich im Café des Schriftstellerverbands gehört, dass Kurt Vonnegut den Preis für Humor und Satire der Stadt Gabrowo bekommen haben und morgen in Bulgarien eintreffen soll. Was meinst du, was soll ich ihn fragen, o Leuchtgestalt?«
    Jordan schwieg verstimmt; er hatte gehofft, hier seinen Chef zu treffen. Er wollte in der Garderobe oder unter der Dusche lauern, bis sie allein waren, und ihm dann stecken: »Ich bitte dich, Chef, mach dir nicht die Mühe, die letzte Folge des Runden Tischs anzusehen. Nicht wahr, wir wollen das Format doch etwas aufpolieren?« Das wäre die Garantie dafür, dass Gospodinov ihn mit größter Aufmerksamkeit mustern würde. Der Alte war gewebt aus Widersprüchen. Er liebte es, wenn man bei ihm bettelte, hasste es aber, Bitten zu entsprechen. Am meisten aber hasste er es, wenn man ihn einfach überging, ohne zu bitten und zu betteln. Jordan öffnete seine Flasche Zagorka, trank einen Schluck Bier, schaute Robby ins Gesicht und dachte: Gleich fängt er an zu kläffen.
    Â»Frag ihn, ob er als College-Schüler Akne hatte, das ist in deinem Stil.«
    Â»Du irrst, Leuchtgestalt! Ich werde ihn fragen, ob er nicht am runden Tisch eines guten Freundes teilnehmen möchte. Wenn Vonnegut wirklich Sinn für Humor hat, wie der Preis verspricht, dann kann der große Mann ja nur zusagen.«
    Â»Wie lange willst du noch deine Fragehaken auswerfen, Angler-Robby?«
    Â»Solange es noch Fische gibt, die anbeißen, du Himmelsbote.«
    Â»Deine Nähe zum Ewigen erfüllt mich mit Stolz. Frag Kurti, was er vorzieht: auf Rasiermessern zu kauen oder sich vom Empire State Building zu stürzen? Erklär ihm, du seiest Anhänger der langsamen, qualvollen Agonie, und wenn er in Tränen ausbricht, hältst du die Urkunde aus Gabrowo in die Kamera.«
    Â»Verdammte Rasseköter, ihr! Warum hasst ihr mich, den kleinen Pinscher? Wenn du es wissen willst, das Einzige, was an mir schlecht ist, ist meine französisch-sonore Aussprache des R; das steht meiner Berühmtheit im Wege. Ich bin halt Intellektueller, ihr artikuliert bloß.«
    Robbys

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