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Seelenasche

Titel: Seelenasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Zarev
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der Duft nach Salzwasser, nach sauberem Meer im Frühsommer, nach Muscheln, die sich öffneten. Dann versank er in ihrem Schoß, in jenem mit Unersättlichkeit getränkten Dunkel, in dem das Licht eine Ahnung ist, so wie die Baumwurzel das Licht als Botschaft der Blätter empfängt, blind. Sie hatte sich rittlings auf ihn gesetzt, ohne ihr Nachthemd auszuziehen, stillte ihn mit rhythmischen Bewegungen, als pflanze sie Stiefmütterchen oder grübe nach Wasser. Der verborgene Hass in ihren Augen betörte ihn, war ihm angenehm, und weckte prickelnd den Wunsch, sie zu bestrafen. Bei solcher Nähe wirkte Neda einfach nur kühl und fremd. Wenn er an sie dachte, fühlte Jordan sich betrogen. Er hörte auf, sich zurückzuhalten, und ließ den Erguss kommen, kurz und machtvoll.
    Â»Hätte mehr von dir erwartet«, sagte Sima leise.
    Â»Wie bitte?« Er lag neben ihr, den Blick an die Decke geheftet, und wäre am liebsten schon weg gewesen.
    Â»Na, ich hatte gedacht, du wärst besser im Bett.«
    Â»Ich bin besser.«
    Â»Das Gemeinste an dir ist, dass du kein gemeiner Kerl bist, Weltschev«, sagte sie und strich mit der Hand über seinen Bauch. Ihre Finger verhielten auf der Narbe, die von seiner Blinddarmoperation geblieben war. »Da, da haben wir etwas, das die Zuschauer nicht sehen dürfen.«
    Â»Ist schön mit dir«, log er ungeschickt.
    Sima stand geschmeidig auf, schlüpfte in ihre Pantoffeln und verschwand im Bad. Das Plätschern der Dusche erreichte ihn wie ein Vorwurf. Ihn schmerzte nichts. Nur ein bitterer Geschmack in seinem Mund. Gedanken an Neda überfluteten ihn. Er trank einen Schluck Wodka. Etwas bedrängte ihn, so als ob jemand ihn beobachtete. Auf einmal wurde ihm klar, dass der Kater ihnen die ganze Zeit mit seinen kalten, menschenleeren Augen zugeschaut hatte.
    Â»Ja, Junge«, sagte Jordan zu ihm, »manchmal werden auch wir Menschen Tiere.«
    Sima kam ins Wohnschlafzimmer zurück, eingewickelt in einen Bademantel. Ihr schwarzes Haar schimmerte bläulich.
    Â»Seltsam«, sagte sie, »ich dachte, wenn ich hier reinkomme, bist du schon weg. Nun sag mal, warum hast du mich zu so später Stunde aus dem Schlaf geholt?«
    Â»Ich wollte bei dir sein. Ich weiß, dass du allein lebst. Ich war ebenfalls allein, als meine Frau nach Hause kam.«
    Â»Das ist dumm, mich zu belügen.«
    Â»Bin zufällig vorbeigekommen«, erwiderte Jordan erschrocken, »und merkte, dass ich keine Zigaretten eingesteckt hatte.«
    Â»Wir kennen uns doch nicht erst seit gestern, Weltschev. Da hat doch jemand deine Visage bearbeitet wie damals diese Typen, als du von Unter den Linden nach Hause gingst. Na komm, spuck’s aus.«
    Â»Ist es nicht besser, uns zu lieben?« Er langte nach dem goldenen Medaillon um ihren Hals, streichelte ihre Brüste. Unter dem weichen Stoff des Nachthemds ertastete er Form und Fülle reifer, saftiger Birnen. Sima wich nicht zurück; es gelang ihm trotzdem nicht, sich zu konzentrieren. Sein Kopf war vollkommen leer, seine Lippen trocken. Er hätte auf der Stelle einschlafen mögen.
    Â»Nein, ist es nicht. Du quälst dich nur, und es gibt nichts Kränkenderes für eine Frau. Bitte, kränke mich nicht mehr als nötig!«
    Er war anscheinend rot geworden, denn ein traurig-mütterliches Lächeln erhellte Simas Gesicht.
    Â»Na gut«, überwand sich Jordan, »heute hat der Chef mich darauf vorbereitet, dass er den Runden Tisch einstellen wird.«
    Sima sprang auf vor Überraschung. Ihre Züge spannten sich, sie griff nach einer Zigarette und inhalierte tief wie ein Kerl. Von diesem Moment an hatte Jordan das Gefühl, dass er wirklich mit einem guten Kumpel spräche. Er zog sich rasch an. Sima brachte leere Blätter und einen Kugelschreiber. In der Luft vermeinte er, einen Geruch nach überheizten Spotlights zu erschnuppern, nach Menschen vor dem Auftritt, nach staubfangendem Chaos, kurz: nach Fernsehen.
    Â»Weißt du, was das Schlimmste ist? Dieser Knallkopf Gospodinov meint nicht etwa, dass die Verbindung zwischen mir und den Zuschauern abgerissen sei, sondern die unter den Zuschauern, während sie unsere Sendung sehen . Ich brächte die Leute also nicht mehr zusammen, würde es nicht mehr schaffen, die Entfremdung zwischen ihnen zu überwinden . Jeder von ihnen liebt oder hasst mich getrennt, nimmt mich nur für sich wahr, weil ich nicht mehr

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