Seelenband
Frage, was sie am Sonntag zu ihrem ersten Date mit Christopher anziehen sollte. Sie waren sich ein paar Mal mittags in der Cafeteria über den Weg gelaufen und nun hatte er sie zu einem Essen eingeladen. Er hatte eine ganz normale Beziehung zu seinen Eltern, die übrigens in einer anderen Stadt lebten, er sah gut aus und schien sehr sympathisch zu sein. Und Valerie hoffte sehr, dass er sie davon abbringen würde, so häufig an John zu denken.
Am Sonntagabend wusste Valerie, dass diese Hoffnung vergebens gewesen war. Christopher war ganz charmant und sympathisch gewesen und sie hatte ein paar nette Stunden in seiner Gesellschaft verbracht, aber es hatte einfach nicht gefunkt. Außerdem zog er die Blicke der Frauen regelrecht an und schien sich dessen auch noch bewusst zu sein. Vor ihrer Erfahrung mit Josh hätte sie das vermutlich nicht allzu sehr gestört. Doch dann hatte sie ihn kurz vor Weihnachten mit einer anderen Frau im Bett erwischt. Einer, die ihm nichts bedeutet hatte, wie er Valerie wortreich versichert hatte. Einer, die ihm einfach nur schöne Augen gemacht hatte...
Sie würde so einem Mann nun nie wieder vertrauen können. Und auf die Unsicherheit, die Selbstzweifel sowie den anschließenden Herzschmerz konnte sie auch gut verzichten.
Oder war es vielleicht wegen John?
Nein! Valerie schüttelte entschieden den Kopf. Sie hoffte sehr, dass es nicht wegen John war. Der Mann brauchte eine Therapie und keine Beziehung! Obwohl, in letzter Zeit schien es ihm deutlich besser zu gehen. Sie wünschte es ihm, sie wünschte es ihm sehr.
Als Valerie am Montagmorgen vor dem
"Pablo"
stand, um John wie gewohnt abzuholen, wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Er war nicht da und plötzlich fiel ihr sein Zögern vom Freitag wieder ein.
Besorgt ging sie in das Café hinein und sah die blonde Kellnerin hinter der Bar stehen. "Wissen Sie, wo John heute ist?" fragte Valerie besorgt.
Die Kellnerin musterte sie mit einem mitfühlenden Blick, der Valerie die Röte ins Gesicht trieb. War schon klar, wie ihre Frage auf die junge Frau wirken mochte.
"Er hat sich krankgemeldet", erwiderte diese gedehnt.
"Krank?" wiederholte Valerie verwirrt. Am Freitag schien es ihm noch recht gut gegangen zu sein. Obwohl natürlich an zwei Tagen viel passieren konnte. Andererseits musste er schon am Freitag gewusst haben, dass er heute nicht arbeiten würde.
"Ja, er sah schon gestern Abend irgendwie verstört aus. Ich meine, mehr als sonst", fügte sie noch hinzu.
"Wissen Sie, wo er wohnt? Oder haben Sie seine Handynummer?"
"Nö." Die junge Frau sah sie neugierig an.
Vermutlich wundert sie sich, wieso ich sie nicht kenne, so oft, wie wir zusammen rumhängen, dachte Valerie und ärgerte sich plötzlich über sich selbst. Wieso eigentlich hatte sie ihn noch nie danach gefragt? "Danke", sagte sie abwesend zu der Kellnerin und verließ das Café.
Er hätte mir auch sagen können, was los ist, dachte sie erzürnt. Immerhin hatte sie ihm den Job beim Verlag besorgt und nun, nur wenige Tage später, hatte er schon seinen ersten Fehltag. Wusste er denn nicht, dass sie ihn dafür rausschmeißen könnten? Und während er sich nun wer weiß wo rumtrieb, durfte sie versuchen, die Sache für ihn auszubügeln. Na super!
Vielleicht ist er ja wirklich krank, wandte eine andere Stimme in ihr besorgt ein. Vielleicht lag er zu Hause und es war keiner da, um ihm zu helfen. Selber schuld, wandte sie dann selbst ein. Hätte er ihr seine Handynummer gegeben, hätte sie ihn anrufen und ihm helfen können, aber so ...
Außerdem bezweifelte sie, dass er wirklich krank war. Immerhin hatte er es schon am Freitag gewusst.
Sie verstand gar nicht, wieso sie sich so viel Gedanken um ihn machte, aber irgendwie fühlte sie sich für ihn verantwortlich. Daher rief sie, als sie in ihrem Büro war, als erstes in der Manuskriptverwaltung an.
"Hallo, Doreen am Apparat", meldete sich eine Frauenstimme.
"Hallo, hier ist Valerie, ich wollte nur kurz Bescheid geben, dass John..."
"Heute eine Doppelschicht schiebt?" unterbrach Doreen sie gut gelaunt. "Das wissen wir schon. Er ist schon seit mindestens sechs Uhr hier und arbeitet wie ein Verrückter."
"Ach so", sagte Valerie verwirrt. "Kann ich ihn sprechen, bitte?"
"Geht gerade nicht. Er ist im Lager, um neues Druckerpapier zu holen. Soll ich ihm sagen, dass du angerufen hast?"
"Ja, bitte."
"Ok. Ich werd's ihm ausrichten."
"Danke." Valerie legte auf. Dann strich sie sich frustriert über das Gesicht. Wann würde sie endlich aufhören, sich
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