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Seelenband

Seelenband

Titel: Seelenband Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Zeißler
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anderen Straßenseite ist ein kleiner Park."
"Gerne. Ich könnte ein wenig Ruhe gebrauchen."
Valerie, die sich bereits halb erhoben hatte, ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen. "Wollen Sie dann vielleicht lieber allein sein?"
"Nein, ist schon gut. Lassen Sie uns gehen."
"Sie haben die Stelle also bekommen", sagte Valerie, als sie das Gebäude verließen. "War das schwer?"
John zuckte mit den Achseln. "Nicht besonders. Sie haben mir die Systeme gezeigt und gefragt, ob ich damit schon mal gearbeitet habe. Ich sagte nein und bat sie, mir kurz zu zeigen, was zu tun ist. Dann sollte ich es selbst machen", erzählte er. "Es war recht frustrierend", fügte er dann nach einer kurzen Pause hinzu.
"Beim ersten Mal ist es doch natürlich, wenn nicht alles auf Anhieb klappt", sagte Valerie aufmunternd. "Und immerhin haben Sie die Stelle doch bekommen."
"Das war nicht das Problem", sagte John und wirkte plötzlich etwas verlegen. "Ich fand es nur frustrierend, wie langsam und schwerfällig die Programme sind." Er verstummte, als er Valeries ärgerlichen Blick bemerkte.
Sie zweifelte stark daran, dass er in Osteuropa bessere Computer oder Systeme zur Verfügung gehabt hatte, und es lag ihr auf der Zunge, ihn darauf hinzuweisen.
"Wie auch immer", fuhr John schnell fort. "Ich denke, ich werde gut damit zurecht kommen, und das ist ja das Wichtigste."
Valerie nickte besänftigt. "Und wie sind die Arbeitszeiten?"
"Es ist kein Tagesjob. Ich denke, ich werde vormittags hier arbeiten und nachmittags im Café. Vielleicht kann ich sogar noch die Frühschicht im Café übernehmen."
"Sie sollten sich auch irgendwann mal ausruhen", sagte Valerie missbilligend. "Zu viel Arbeit ist auch nicht gut."
"Ich brauche das Geld", sagte er fast automatisch. Dann verdunkelte sich sein Gesicht ein wenig. "Außerdem lenkt die Arbeit mich ab. Es gibt kaum etwas Schlimmeres für mich, als zu viel Zeit, mit meinen Gedanken allein zu sein."
Das verstand Valerie nur zu gut. Hatte sie doch in den letzten Monaten selbst nichts Anderes getan, als sich in die Arbeit zu stürzen. Doch schließlich hatte sie erkannt, dass dies keine Lösung war. "Trotzdem...", wandte sie daher ein.
Doch er hob Einhalt gebietend die Hand. "Ist schon gut, Valerie. Ich weiß, wo meine Grenzen liegen."
"Wie Sie meinen", sie nickte leicht. Eigentlich ging es sie ja auch nichts an. Sie sah auf ihre Armbanduhr. "Ich denke, wir müssen jetzt zurück."
"Ja", sagte John leise und stöhnte innerlich auf. Er hatte es schon wieder getan. Er hatte sich bei ihr eigentlich nur für ihre Hilfe bedanken wollen und dennoch hatte er ihre Fürsorge wieder zurückgewiesen, eine unsichtbare Grenze zwischen ihnen beiden gezogen und Valerie - wie unbeabsichtigt auch immer - wieder verletzt.

Als er am Abend nach Hause kam, ließ John sich müde auf sein Bett fallen. Die Arbeit war, wie er Valerie gesagt hatte, nicht besonders kompliziert, dennoch war sie neu und er musste sich stark konzentrieren, um keine Fehler zu machen. Immerhin wollte er diesen neuen Job nicht verlieren. Es war angenehmer als die Arbeit im Café, da er weniger Menschen um sich herum hatte, und wurde besser bezahlt. Immerhin hatte er den Reaktionen seiner Kollegen entnehmen können, dass sie von seiner Arbeitsweise beeindruckt waren. Da hatte er also erst einmal nichts zu befürchten.
Seine Gedanken schweiften wieder zu Valerie. Er hoffte, sie war ihm nicht böse, dass er sie auf dem Heimweg nicht abgeholt hatte. Nach dem kurzen Spaziergang im Park hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Dabei hatte er wirklich überlegt, ob er mit ihr gemeinsam zurückgehen sollte, sich aber dagegen entschieden. Er wollte es mit ihrer Gesellschaft an einem Tag nicht übertreiben, da er nicht sicher war, ob er die Schuldgefühle bereits so weit unter Kontrolle hatte. Doch das konnte er ihr natürlich nicht sagen und sie würde sich vermutlich wieder über sein Verhalten wundern. Nun ja, er zuckte leicht mit den Schultern, zur Not würde er sich morgen früh wieder entschuldigen müssen.
Mit diesem Entschluss schloss John die Augen und spürte in sich hinein, gewappnet für den Schmerz, den er zu spüren erwartete. Doch da war nichts. Er spürte seine Trauer um Inara, den dumpfen Schmerz über ihren Verlust, die Angst um Nalla, die Sorge um Valerie ... und nichts mehr. Keine quälenden Schuldgefühle, kein Schmerz. Er atmete erleichtert auf und erhob sich. Anscheinend musste er Valerie wirklich nicht mehr aus dem Weg gehen, solange er es nicht

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