Seelenband
eingeschossen zu haben. Die vielen verliebten Pärchen störte das selbstverständlich recht wenig, aber Valerie erschien es in ihrer Situation doch ziemlich unpassend.
Je später der Abend wurde, desto schweigsamer und bedrückter wurde John. Er versuchte nicht, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen oder ihr seine Stimmung aufzudrängen, dennoch spürte Valerie, dass ihm die ausgelassene Gesellschaft immer lästiger wurde. Daher schlug sie ihm schließlich vor, die Party zu verlassen.
Er nickte ernst, schien aber nicht im Mindesten erleichtert, wie Valerie erstaunt feststellte.
Während sie zu seiner Wohnung fuhren, blieb er schweigsam und Valerie gönnte ihm verständnisvoll seine Ruhe. Als sie das Auto jedoch vor seiner Wohnungstür parkte, wandte sie sich noch einmal an ihn. "Ich weiß es wirklich zu schätzen, was du heute für mich getan hast, und ich bin dir sehr dankbar dafür. Es war ein sehr schöner Abend für mich gewesen."
Sein mittlerweile recht düsteres Gesicht wurde bei diesen Worten ein wenig weicher. "Das freut mich, Valerie." Er bemühte sich um ein Lächeln und legte sanft seine Hand auf die ihre. "Das freut mich wirklich. Gute Nacht."
"Gute Nacht", murmelte Valerie. Obwohl er sie an diesem Abend bereits mehrmals berührt hatte, konnte sie sich noch immer nicht daran gewöhnen. Ebenso wenig wie an das Gefühl von Wärme und Nähe, die diese Berührungen in ihr auslösten.
Sie wartete, bis er seine Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, und fuhr dann los. Sie würde nicht über ihn nachdenken. Auf keinen Fall würde sie heute über ihn nachdenken.
John schloss die Tür hinter sich und lehnte sich Halt suchend dagegen. Gleich würde es kommen, ganz sicher würde es gleich kommen. Nur Valeries Anwesenheit hatte es abgehalten, nun, da sie weg war, gab es nichts mehr, das ihn vor dem Schmerz schützen würde. Nur für sie hatte er heute etwas geschafft, was er nie für möglich gehalten hätte. Aus Dankbarkeit und um ihr etwas zurückzugeben, hatte er es irgendwie geschafft, seinen Schmerz in einer winzigen Ecke seiner Seele einzuschließen und für ein paar Stunden er selbst zu sein. Doch jetzt würde er diese Tür wieder öffnen müssen. Und die Schuldgefühle über das, was er getan hatte, würden furchtbar sein. Er war gewappnet gewesen, die Qual zu spüren, in dem Augenblick, als sie davongefahren war. Doch er hatte sich geirrt. Noch kamen sie nicht. Das machte ihm Angst. Sollte das die Ruhe vor dem Sturm sein?
Rasch zog er sich aus und legte sich auf sein Bett. Doch der Schmerz kam noch immer nicht. Langsam, ganz vorsichtig horchte John in sich hinein. Da war sie, die vertraute Wunde, die Inaras Tod in ihn gerissen hatte, die Sehnsucht nach ihr. Und doch war es nur ein leichtes Pochen, das er da spürte, kein brennender Schmerz, keine alles verschlingende schwarze Leere.
Angst erfasste ihn, kalte Angst. Der Schmerz war ein Teil von ihm gewesen, der Teil, der ihn auf ewig mit Inara verband. Und nun war er fort. Panisch spürte John immer weiter in sich hinein, versuchte, die Tür zu finden, hinter der er die Leere und den Schmerz versteckt hatte, doch er fand sie nicht mehr. Dieser Teil von ihm, dieser Teil von Inara - er war fort.
Lange Zeit lag er da, starrte die dunkle Decke an, lauschte dem Herzschlag, der in seinen Ohren hämmerte, und versuchte verzweifelt, seine Verbindung zu Inara wiederzufinden. Irgendwann schlief er schließlich ein. Und zumindest kehrte sein Alptraum wieder.
Er war im Krankenhaus und sah auf Inaras sterbenden Körper hinab. Er fühlte ihren Schmerz, als wäre er sein eigener, und sah die Sorge um ihn in ihren Augen. Er spürte den schwarzen Strudel, der ihn hinabriss, als sie ihren letzten Atemzug aushauchte. Er stürzte in die Tiefe, in die Verzweiflung, in den Tod. Es gab kein Entrinnen für ihn. Plötzlich hörte er seinen Namen. Eine sanfte, vertraute Stimme, die nach ihm rief. Und dann war da eine Hand. Eine Hand, die sich ihm entgegenstreckte, die sich hell und strahlend gegen den schwarzen Strudel abhob, der ihn zu verschlingen drohte. Mit letzter Kraft griff John danach und spürte, wie er empor gehoben wurde. Immer höher ans Licht, bis er in Valeries lächelndes Gesicht blickte.
John wachte ruckartig auf. Er war schweißüberströmt und sein Herz raste. Nur mühsam gelang es ihm, Luft zu holen.
Es ist nur eine Panikattacke, versuchte er sich zu beruhigen. Bloß eine Panikattacke nach einem Alptraum, das hat nichts zu bedeuten. Aber es half nicht. Er
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