Seelenband
öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, doch sie fuhr schnell fort. "Du musst mir nicht alles erzählen und kannst ruhig deine Geheimnisse haben, wenn dir so viel daran liegt. Aber dann sag es mir. Sag mir von mir aus, dass du aus Gründen, die mich nichts angehen, fort musst oder allein sein möchtest oder was weiß ich. Aber sag es mir! Dieses ständige Auf und Ab halte ich einfach nicht länger aus. Und möchte es auch nicht."
John nickte. "Das klingt fair."
"Und", fuhr Valerie fort, "ich möchte wissen, was in den letzten Tagen los war."
"Auch wenn es dich eigentlich nichts angeht?" fragte John mit einem kleinen Lächeln.
"Dann sag mir nur soviel, wie du kannst. Sonst muss ich Angst haben, dass du an einer Persönlichkeitsstörung leidest und dringend zum Psychiater musst."
"Gut, ich werde versuchen, es dir zu erklären. Aber können wir das vielleicht drinnen besprechen? Hier ist es zu kalt für dich." Mit diesen Worten legte er seine große warme Hand sanft auf ihre eisigen Finger.
Valerie erschauerte bei der Berührung und wandte sich rasch ab, damit er ihre Reaktion nicht bemerkte. "Ich mache uns einen Tee", sagte sie und verschwand in Richtung der Küche.
John folgte ihr und lehnte sich neben Valerie an die Arbeitsplatte, während sie darauf wartete, dass das Wasser für den Tee kochte. Valerie gähnte und John fühlte sich augenblicklich schuldig. "Wenn du müde bist, können wir auch morgen reden", schlug er zögerlich vor.
Sie warf ihm einen amüsierten Blick zu. "So leicht kommst du mir nicht davon, du hast mir eine Erklärung versprochen."
"Und die bekommst du auch", versprach er ihr ernst.
In diesem Augenblick schaltete sich der Wasserkocher mit einem leisen Klick ab und Valerie holte zwei Tassen hervor. Dann öffnete sie eine Schublade und präsentierte John eine Auswahl verschiedenster Teesorten.
"Du trinkst wohl sehr gerne Tee?" fragte er neugierig.
"Ja", sie nickte plötzlich verlegen. "Kaffee trinke ich eigentlich nur von dir", gab sie kleinlaut zu und fischte sich einen Teebeutel heraus.
"Was ist das?" fragte John, als sie ihn in ihre Tasse legte und mit sprudelndem Wasser übergoss.
"Melisse. Ist gut für die Nerven", erklärte sie.
"Ich glaube, dann nehme ich auch einen."
Valerie warf ihm einen belustigten Seitenblick zu - war er etwa nervös? - und machte ihm ebenfalls eine Tasse Melissen-Tee fertig. Danach führte sie ihn in ihr gemütliches kleines Wohnzimmer und machte es sich in ihrem Lieblingssessel gemütlich. John nahm ihr gegenüber auf dem Sofa Platz.
"Also, was ist los mit dir?" fragte Valerie ohne Umschweife.
Obwohl er nun einige Minuten Zeit gehabt hatte, sich darauf vorzubereiten, wusste John noch immer nicht genau, was er ihr eigentlich sagen sollte. Er konnte ihr wohl schlecht erklären, dass er ihr die Schuld dafür gegeben hatte, seinen Schmerz über den Tod seiner Frau gelindert zu haben. Er räusperte sich. "Samstagabend, auf der Party, habe ich mich sehr wohl gefühlt. Als wäre der dunkle Vorhang, der seit Inaras Tod auf mir liegt und mich vor der Welt abschirmt, für kurze Zeit gelüftet worden. Es war ein wunderschöner Abend für mich gewesen."
Interessiert beugte Valerie sich vor. "Aber das ist doch gut", sagte sie sanft. "Oder nicht?" fügte sie unsicher hinzu, als er nicht antwortete.
"Der Abend war so schön, dass er mir Angst gemacht hat", flüsterte John und sah Valerie besorgt an, als rechnete er mit einer heftigen Reaktion.
"Angst?" fragte sie skeptisch nach. Es fiel ihr wirklich schwer, ihn zu verstehen.
"Ja." Er stellte seine Tasse ab und beugte sich zu ihr vor. "Du musst verstehen", fing er langsam an. "Die Trauer um Inara, so schmerzhaft sie für mich auch gewesen war, war für mich wie eine Verbindung zu ihr gewesen, die einzige, die mir noch verblieben war."
"War?" wiederholte Valerie erstaunt.
Er lächelte traurig. "Ja, war." Als er ihren verständnislosen Blick sah, fuhr er bedächtig fort. "Natürlich wird Inara und die Liebe zu ihr immer ein Teil von mir bleiben. Aber ..." Er zögerte. "Aber am Samstag hatte ich zum ersten Mal wieder das Gefühl, dass mein Leben auch ohne sie weiter geht. Ich hatte nicht damit gerechnet und es hatte mir Angst gemacht."
"Du bist mir also absichtlich aus dem Weg gegangen", stellte sie fest.
Er nickte. "Ja, weil ich glaubte, noch nicht bereit dazu zu sein, Inara loszulassen."
"Und jetzt bist du es doch?" fragte sie vorsichtig.
"Ich weiß es nicht." Er sah ihr fest in die Augen und legte langsam seine Hand auf die
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