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Seelenband

Seelenband

Titel: Seelenband Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Zeißler
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ihr etwas mehr bieten. Eine Wohnung mit richtigen Möbeln, zum Beispiel, dachte er sarkastisch. Doch sie schien das karge Interieur nicht zu stören. Er konnte spüren, dass sie sich wohl fühlte, wenn auch ein wenig aufgeregt. Er konnte es ihr nicht verdenken, ihm ging es ähnlich. Und dabei hatte er den Vorteil, genau zu wissen, wie sie sich fühlte. Wie hielten es Menschen bloß aus, nicht zu wissen, was der andere empfand? Jetzt sah sie ihn an und schenkte ihm ein glückliches Lächeln. Der Wein und das gute Essen hatten anscheinend etwas die Schranken gelockert, in denen sie sich in seiner Gegenwart meistens hielt. Weil sie ihn nicht bedrängen wollte! John hätte am liebsten gelacht. Sie wollte ihm nicht zu nahe treten, während er selbst sich nur mit Mühe davon abhalten konnte, sie in seine Arme zu reißen. Sie würde sich nicht widersetzen und das machte es für ihn umso schwerer, dagegen anzukämpfen. Zumindest hatte er das helle Licht angelassen. Ansonsten, da war er sicher, wäre es um seine Selbstbeherrschung geschehen.
Er seufzte. Er hätte schon viel früher mit ihr sprechen, ihr die Wahrheit sagen sollen. Aber er hatte Angst gehabt, sie zu verlieren, wenn sie die Wahrheit erfuhr. Es war schwach von ihm gewesen, grausam und egoistisch, aber er hatte es einfach nicht über sich gebracht.
"Was ist los, John?" fragte Valerie leise. Auch ohne empathische Fähigkeiten hatte sie ein äußerst feines Gespür für seine Stimmungen entwickelt. Passierte das etwa, wenn zwei Menschen sich richtig gut kannten? Aber nein, sie kannte ihn ja nicht.
"Möchtest du noch etwas?" fragte er mit einem Blick auf ihren leeren Teller.
Sie schüttelte den Kopf. "Danke, ich bin voll." Sie lächelte. "Es war wirklich lecker."
"Das freut mich." Er nahm die Teller und verschwand in der Küche. Sie folgte ihm mit der Salatschüssel in der Hand. Valerie stellte die Schüssel auf der Arbeitsplatte ab und ging wieder ins Wohnzimmer zurück, um die Weingläser zu holen. An der halboffenen Tür zu seinem Schlafzimmer blieb sie jedoch wie angewurzelt stehen und schaute fasziniert hinein.
Vorhin, im hellen Licht, war Valerie die wahre Schönheit des Raums verborgen geblieben. Doch jetzt schaute sie zu einem leuchtenden Sternenhimmel empor. Anscheinend hatte John die Sterne in phosphorisierender Farbe gemalt und nun tauchten sie den Raum in einen gelblichen Glanz.
John trat leise hinter sie und sie lehnte sich instinktiv an ihn. "Ich liebe den Sternenhimmel", vertraute sie ihm flüsternd an. "Nur leider ist es in der Stadt meist zu hell, um ihn zu sehen."
"Du kannst so oft herkommen und ihn dir anschauen, wie du möchtest", erwiderte John. Es hätte locker klingen sollen, aber seine Stimme war plötzlich belegt.
Er drückte seine Wange gegen Valeries Haare und atmete den blumigen Duft ein, den sie verströmten. Er musste es beenden, jetzt auf der Stelle. Doch Valeries nächster Satz machte seine guten Vorsätze zunichte.
"Wie wäre es mit jetzt?" fragte sie flüsternd.
John nickte und als ihm auffiel, dass sie das nicht sehen konnte, legte er zögernd seine Arme um sie. Er spürte, wie ihr Körper sich in seiner Umarmung entspannte.
"Darf ich reingehen?" fragte sie plötzlich zaghaft.
"Fühl dich ganz wie zu Hause", erwiderte John und rückte von ihr ab. Er musste dringend etwas Abstand zwischen Valerie und sich bringen, so schwer es ihm in diesem Augenblick auch fiel. "Ich muss noch etwas in der Küche erledigen", fügte er hinzu, als sie sich unsicher auf seine Matratze setzte und verzaubert nach oben schaute.
Augenblicklich sprang Valerie auf. "Ich helfe dir."
"Nein!" sagte er hastig. "Bleib ruhig sitzen und genieß die Aussicht." John spürte, wie bei diesen Worten ein emotionaler Ruck durch Valerie ging. Jetzt gab es kein Zurück mehr für ihn. Sie war die Spielchen leid, sie wollte es endlich wissen, egal, wie verletzlich sie sich damit machen würde.
"Es ist aber nicht das selbe ohne dich", sagte sie leise, aber fest und sah ihn entschlossen an. John konnte beinahe spüren, wie heftig ihr Herz bei diesen Worten klopfte, oder war es sein eigenes?
"Komm her", rief sie ihn zu sich und er hatte keine andere Wahl, als ihr zu gehorchen. Er ließ sich vor ihr auf die Knie fallen und sie strich zärtlich über sein Gesicht. "Was ist los, John?" fragte sie sanft und er versank in ihren Augen. Jetzt war der Augenblick, es ihr zu sagen. John holte tief Luft. Doch er kam nicht dazu, die Worte auszusprechen, denn Valerie beugte sich zu ihm vor

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