Seelenband
langsam rein", sagte sie und hielt ihm die Tür auf.
Er ging hinein und zögerte unsicher. "Ins Wohnzimmer", kommandierte Valerie. "Setz dich auf das Sofa und leg die Hände auf den Tisch."
"Du brauchst keine Angst vor mir zu haben", versuchte er die Situation zu entspannen.
"Das entscheide noch immer ich", widersprach Valerie und setzte sich ihm gegenüber hin. In der einen Hand das Pfefferspray, in der anderen das Telefon, begann sie mit ihrem Verhör.
"Woher kommst du?"
"Von einem Planeten namens Epselia."
Valerie schluckte. Das konnte einfach nicht real sein. "Ist das weit von hier?" fragte sie dennoch tapfer.
"Ja", erwiderte er. "Willst du wissen, wo genau das liegt?"
Valerie schüttelte den Kopf. Sie war nicht besonders gut in Astronomie. "Wie viele von euch sind sonst noch hier?"
"Es ist mir nicht bekannt, dass außer mir sonst noch jemand zur Erde geflogen wäre."
"Und was willst du dann hier?" Sie sah ihn misstrauisch an. "Bist du ein Spion?"
Er lachte. "Nein. Ich wollte bloß leben."
"Leben?" wiederholte Valerie verständnislos. "Braucht ihr neuen Lebensraum?"
"Nein." Er sah sie überrascht an. "Was denkst du eigentlich von mir?"
"Keine Ahnung", erwiderte sie bitter. "Was soll ich schon von dir denken, ich kenne dich ja nicht einmal. Du könntest alles Mögliche sein: von einem geisteskranken außerirdischen Killer, über einen Wissenschaftler, der abartige Versuche mit den Menschen durchführt, bis zu einem verrückten Menschen, der seinen Bauch verstümmelt hat. Was weiß ich!" Sie spürte, wie die Hysterie wieder durchzubrechen begann, und kämpfte verzweifelt dagegen an. Sie durfte jetzt einfach nicht durchdrehen. John machte eine Bewegung auf sie zu, vielleicht hatte er sie nur trösten wollen, doch Valerie hielt drohend das Pfefferspray in die Höhe. "Bleib zurück!" schrie sie.
John sackte auf dem Sofa zusammen und sah sie gequält an. "Es tut mir so leid, dass ich dir das angetan habe, Valerie, so leid. Glaub mir, es war nie meine Absicht gewesen, dich zu verletzen."
"Und was war dann deine Absicht?"
"Ich wollte bloß ein ruhiges, unauffälliges Leben führen."
"Wieso hier?"
"Die Erde schien mir weit genug von meiner Heimat zu sein, um keine Verfolgung zu befürchten."
"Dann bist du also doch ein Verbrecher", stellte Valerie grimmig fest.
John sah ihr ernst in die Augen. "In den Augen meines Volkes, ja. Doch ihr Menschen, doch du würdest das nicht als ein Verbrechen ansehen."
"Was hast du getan?" fragte Valerie leise.
John atmete tief durch und begann mit stockender Stimme zu erzählen. "Wir sind ein sehr friedliches Volk. Seit Jahrtausenden erforschen wir die Fähigkeiten unseres Geistes, mit erstaunlichen Resultaten. Mit entsprechenden Meditationen haben wir gelernt, einzelne Bereiche des Gehirns zu stimulieren, zum Beispiel das Sprachzentrum oder das Gedächtnis. Und wir sind empathisch." Er verstummte und schien kurz über seine nächsten Worte nachzudenken. "Die Familie und die Verbindung zwischen Mann und Frau sind uns heilig. Aufgrund unserer Empathie ist diese Bindung sehr viel stärker, als ich es bei den Menschen bisher habe wahrnehmen können, denn wir spüren die Gefühle des anderen, als wären es unsere eigenen. Und wenn einer aus meinem Volk seinen
Ethkeya
, seinen Seelengefährten findet und die geistige Verbindung herstellt, ist sie nicht mehr zu trennen. Die zwei Seelen sind dann wirklich zwei Hälften eines Ganzen." Er verstummte erneut, dieses Mal jedoch, weil seine Gefühle überhand zu nehmen schienen.
Valerie vermutete, dass er sich wieder an Inara erinnerte. "Inara war deine Seelengefährtin gewesen, nicht wahr?" fragte sie leise, obwohl sie ihm die Geschichte eigentlich gar nicht abkaufen wollte.
John nickte. "Ja, das war sie. Und genau das ist mein Verbrechen."
Valerie sah ihn erschrocken an und er fuhr schnell fort. "Nein, nicht, was du jetzt schon wieder denken magst", sagte er mit einem leichten Vorwurf in der Stimme. "Wie gesagt, die Verbindung zwischen den Seelengefährten ist so stark, dass der eine ohne den anderen nicht leben kann. Wenn dein Seelengefährte stirbt, dann ist es ...", er schluckte, "dann ist es, als ob deine eigene Seele in Stücke gerissen und verkrüppelt wird. Du stirbst mit ihm", schloss er tonlos.
"Aber du lebst", stellte Valerie trocken fest. Sie würde es ihm nicht zu leicht machen.
"Ja, ich überlebte", sagte John finster. "Obwohl ich bereit war, mit ihr zu sterben. Obwohl mich der Schmerz beinahe um den Verstand gebracht hatte."
"Wieso?"
Er
Weitere Kostenlose Bücher