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Seelenband

Seelenband

Titel: Seelenband Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Zeißler
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zögerte. "Anscheinend war ich doch noch nicht bereit dazu. Und das ist mein Verbrechen."
"Du meinst, dass du nicht mit deiner Frau gestorben bist?" fragte Valerie fassungslos.
"Ja, damit habe ich gegen das heiligste Gesetz meines Volkes verstoßen."
"Das ist barbarisch", sagte Valerie angewidert.
"Das ist unsere Natur", widersprach John ihr. "Ich darf dich daran erinnern, dass es in eurer Vergangenheit viele Totenkulte gegeben hat, bei denen die Frau nach dem Tod ihres Mannes ebenfalls getötet worden war. Wohlbemerkt brutal ermordet, nicht freiwillig dem Seelengefährten gefolgt. Oder denk an Romeo und Julia oder Tristan und Isolde. Es scheint, selbst bei Menschen kommt das vor, wenn die Bindung stark genug gewesen war."
"Dann war deine nicht stark genug?"
Zorn flammte in Johns Augen auf und Valerie wich entsetzt zurück. "Doch", stieß er mühsam beherrscht hervor, "aber es gab anscheinend etwas, das mich stärker ans Leben band als Inara an den Tod."
"Und was geschah dann?"
"Als sie merkten, dass ich Inara nicht gefolgt war, wurde mir ein Berater zugewiesen, der mich davon überzeugen sollte, endlich loszulassen und meine Qual zu beenden. Als ihm das nicht gelang, wurde beschlossen, mir den Übergang zu erleichtern."
"Du meinst ..."
"Ja, sie wollten mich töten."
Valerie sah ihn schockiert an.
"Du musst verstehen", versuchte John sein Volk zu verteidigen. "Niemand konnte sich in meiner Nähe aufhalten, ich hätte mit meinem Schmerz die Leben von Tausenden vergiften können."
"Also bist du geflohen?"
"Ja, daher bin ich geflohen."
"Und du denkst, dass deine Leute dich suchen?" Als er widerstrebend nickte, musterte sie ihn verständnislos. "Wieso denn das? Wenn ihr doch so friedliebend seid und das Problem durch deine Abwesenheit gelöst ist?"
"Ich habe lange darüber nachgedacht. Und auch wieso ich noch nie von ähnlichen Fällen gehört habe, so einzigartig war meine Situation schließlich nicht gewesen."
"Und?"
"Es ist, wie gesagt, ein heiliges Gesetz unseres Volkes, der Grundstein unserer Kultur. Es gibt kaum Gewaltverbrechen, keine Sexualdelikte, kein Fremdgehen zwischen Ehepartnern, weil jeder weiß, dass er eines Tages seinen Seelengefährten trifft, und weil wir alle den Schmerz des anderen fühlen würden. Sollte es sich herumsprechen, dass die Bindung keine ultimative Gültigkeit besitzt, könnte das den Verfall unserer Gesellschaft einleiten. Deshalb, glaube ich, können sie auch mich nicht ungeschoren davon kommen lassen." Er lehnte sich zurück. "Aber bisher haben sie mich nicht gefunden und ich hoffe, dass sie die Suche irgendwann abbrechen werden."
"Und was habe ich mit alldem zu tun?"
John sah ihr in die Augen und lächelte wehmütig. "Als ich hier ankam, war meine Seele leer und verkrüppelt. Und ich habe nicht geglaubt, dass sie jemals würde heilen können. Bis ich dich traf." Er streckte seine Hand nach ihr aus, doch sie ignorierte das und er ließ sie traurig wieder sinken. "Es war nicht geplant gewesen und ich habe es gewiss nicht für möglich gehalten, aber ich habe mich in dich verliebt, Valerie. Und die Liebe zu dir hat mich wieder ganz gemacht." Er verstummte und sah sie erwartungsvoll an.
Valerie schluckte den Kloß in ihrem Hals mühsam herunter. Sie wollte ihm so gerne glauben, doch wie könnte sie.
"Du glaubst mir nicht", stellte John niedergeschlagen fest.
"Halte dich aus meinem Kopf raus!" wies sie ihn zurecht. "Und, nein, wie soll ich jemals sicher sein können, dass du die Wahrheit sagst? Nachdem du mich so lange angelogen hattest?"
"Ich habe nicht gelo..."
"Schon gut!" unterbrach sie ihn. "Dann eben essentielle Teile der Wahrheit verschwiegen, so dass bei mir ein ganz falscher Eindruck entstand." Oder sogar in allem gelogen, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie war so müde, sie wollte nichts anderes, als sich zusammenkauern und den Schmerz und die Zweifel, die ihr Herz zerrissen, einer erlösenden Tränenflut überlassen. "Bitte, lass mich allein", bat sie leise und spürte, wie die Tränen endlich kamen.
"Nein", sagte er sanft. "Ich werde jetzt aufstehen und zu dir gehen", warnte er sie plötzlich. "Dann werde ich dich in den Arm nehmen und so lange festhalten, wie du Trost brauchst. Wenn du jetzt oder irgendwann später das Pfefferspray nutzen willst, um mich dir fernzuhalten, dann kannst du das jederzeit tun." Er erhob sich vorsichtig und ging langsam zu ihr herüber. Sie wandte ihren Kopf zu ihm, als er sich auf ihre Sessellehne niederließ. "Ich würde dir so gerne glauben",

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